Hallo Hilti & Matti -
… Ich sagte ja es gibt verschiede Lösungen…
Was Matti schreibt ist alles richtig - und die Vorbereitungsliste ist super. Allerdings muss man auch aufpassen das man sich da nicht verkämpft und eine klare Linie fährt. Daher noch ein paar Bemerkungen…
Ich denke man kann sicher noch mal versuchen mit der Krankenkasse zu reden - und da ist es tatsächlich wichtig mit wem: Eigentlich hat jede Krankenkasse eine spezielle Abteilung die für Hilfsmittel zuständig ist. Das Problem dabei: Die ist in der Regel für das ganze Bundesgebiet tätig. Deshalb kann man da nicht mal einfach hingehen - aber man kann sich aber mit denen telefonisch verbinden lassen und das Problem dort noch mal schildern (wenn nicht schon geschehen).
Direkt bei der Krankenkasse vor Ort vorstellig zu werden ist nicht immer von Erfolg gekrönt, den die Leute vor Ort haben selten die Berechtigung etwas zu entscheiden - man hat deshalb ja die Bereiche zentralisiert. In der Regel wird nur sehr freundlich das Problem aufgenommen. Das hat allerdings den selben Effekt als wenn du es mit der App an die Hilfsmittel Abteilung schickst denn es kommt meistens im selben System an… Manchmal hat man Glück und der Sachbearbeiter in der Fachabteilung hat ein einsehen oder er macht von sich aus einen Mehrbedarfsantrag daraus… Meine Erfahrung ist aber leider, dass man sich da oft im Kreis dreht: Die Kasse sagt „nimm einen anderen Versorger“, der Versorger sagt „hab ich nicht - mach ich nicht“, die Kasse sagt „nimm einen anderen Versorger“…
Wichtig dabei: Mach dir ein Telefonprotokoll und wenn etwas vereinbart wurde schick denen das danach. Der Sachbearbeiter macht sich auch Notitzen - und wenn es ein „Missverständnis“ gibt zählt im Zweifelsfall erstmal das was im Computer der Krankenkasse steht - wenn du es nicht selber zusammengefast und denen mit bitte um Bestätigung zugestellt hast.
Was du auch versuchen kannst: Frag nach ob du die die Hilfsmittel bis eine Lösung gefunden ist selber kaufen und über die App abrechnen kannst. Manchmal klappt das - allerdings oft nur dann wenn vorher schon mal ein entsprechender Antrag gestellt wurde.
Zu deinen Fragen:
Miktionsprotokoll:
- Das mit dem Miktionsprotokoll ist nicht so dramatisch - das geht auch einfach. Du kannst das Hilfsmittel auswiegen und die Tragedauer notieren. Harnverlust ist dann gewogenes Gewicht minus Hilfsmittel Gewicht in Milliliter.
Das was ich zum Thema Attest geschrieben habe brauchst du übrigens immer - ganz egal ob du den Weg über das Gericht oder die Krankenkasse gehst. Der MDK wird i.d.R. immer tätig - auch bei einem Prozess als Gutachter der Krankenkasse. Das bedeutet es wird ein Gutachter Prozess geführt in dem es darum geht zu beweisen, dass die durch die Versorger vorgeschlagene Hilfsmittel alle samt nicht ausreichend und zweckmäßig waren und nur das verordnete Hilfsmittel die Lösung gebracht hat.
Versorger:
- Ja - der Lieferant kann trotz gültigem Rezept kündigen. Das tut er auch öfter mal - insbesondere dann wenn der Hersteller die Preise erhöht hat und er jemand billigeren gefunden hat… Wie gesagt: Der Versorger wählt am Ende das „zweckmäßige und ausreichende“ Hilfsmittel - nicht der Arzt -
aber natürlich muss das angebotene Hilfsmittel ausreichend und zweckmäßig sein. Ein Recht auf ein spezielles Hilfsmittel gibt es erstmal nicht.
Zum Thema Kommunikation und Reklamation:
Die Reklamation wird oft von einer speziellen Abteilung innerhalb der Krankenkasse bearbeitet die kaufmännische Kompetenzen hat. Diese Abteilung kümmert sich i.d.R. nur um Reklamationen die das Rechnungswesen betreffen. Wenn es eine Reklamation der Versicherungsleistung gibt wird das in der Regel in die Fachabteilung zurück verwiesen (hier Hilfsmittelabteilung). Dort bleibt es gerne mal liegen oder kommt erst garnicht an… Von daher ist es sicher eine Gute Idee, bei der Hilfsmittelabteilung noch mal darauf hinzuweisen…
Noch ein paar allgemeine Anmerkungen:
Natürlich versuchen die Lieferanten Druck aufzubauen. Dürfen tuen sie das nicht - aber da niemand dagegen Vorgeht machen sie es einfach. Meine Empfehlung: Wenn es jetzt darauf hinausläuft das du erstmal selber kaufen musst, mach mal einen Preis Recherche im Internet - Medizinfuchs ist da ganz praktisch. Meistens gibt es die Hilfsmittel im Internet deutlich billiger als beim Versorger der Krankenkasse. Es ist halt ungünstig, das du so lange gewartet hast um das ganze zu eskalieren - b.z.w. nicht die richtigen Eskalationsschritte gegangen bist. So eine Eskalation braucht in der Regel - egal ob mit Eilantrag vor dem Sozialgericht oder mit Mehrbedarfsantrag bei der Kasse oft 4-6 Monate - manchmal auch mehr bis dann tatsächlich das Hilfsmittel wieder geliefert wird. Ein weiteres Problem ist dann ja auch - das wenn eine Bewilligung oder ein Gerichtsbescheid vorliegt, die Kasse normaler Weise erstmal Kostenvoranschläge einholt. Bedeutet bis ein Versorger dann liefert vergehen oft auch noch mal 1-2 Monate…
- Zum Thema Sozialgericht und Eilantrag: Ja - das kann man machen… Aber:
Für den Eilantrag müssen bestimmte Voraussetzungen erfüllt sein. Eine davon ist, das die finanzielle Belastung nicht tragbar ist. Das ist jetzt etwas komplizierter zu erklären und hängt u.a. z.B. davon ab ob deine Tochter schon volljährig ist - im Zweifelsfall ist es da schlauer einen Anwalt zu fragen. Außerdem sollte man darüber hinaus auch bedenken: Ein Eilantrag führt zu einem beschleunigten Verfahren ohne umfängliche Beweisprüfung. Das bedeutet - in aller Regel folgt danach noch mal ein „richtiges“ Verfahren weil die Krankenkasse fast immer Berufung einlegt. Bedeutet: Du hast mindestens zweimal mit dem Mist zu tuen. Die meistens bessere gerichtliche Variante (wenn man sich das Leisten kann/will) ist ein regulärer Sozialgerichtsprozess. Das kann sich aber auch schon mal 1-2 Jahre ziehen - je nachdem wo du wohnst. Vorteil: Wenn du gewinnst bekommst du alles was du in dem Zusammenhang selbst verauslagt hast zurück.
Auch nicht ganz unwichtig: Wenn die Krankenkasse schlau ist wird sie - wenn sie das schreiben vom Gericht bekommt umgehend den MDK beauftragen. Wenn der prüft und der Kasse mitteilt, das deine Forderung berechtigt ist kommt es manchmal garnicht mehr zum Prozess sondern und die Kasse liefert im Rahmen des Mehrbedarfs. Wenn der MDK - aus welchem Grund auch immer - „Nein“ sagt (das passiert bei solchen Fragestellungen zum Glück eher selten), dann hast du ein Problem - dann muss nämlich ein Gegengutachten gefertigt werden was - je nach dem wie gut das MDK Gutachten ist - schwierig werden kann.
Ein Vorteil der gerichtlichen Variante währe noch, dass du die Forderungen rückwirkend bis zur letzten Lieferung gelten machen könntest - vorausgesetzt du kannst die Auslagen nachweisen. Wenn ich dich richtig verstanden habe hast du aber von den „Vorräten gelebt“ - da klappt das dann nicht.
Grundsätzlich gibt es halt erstmal die folgenden drei Wege:
1) Man schafft es eine Einigung mit der Krankenkasse hin zu bekommen - egal Mehrbedarf oder anders - das ist i.d.R. am besten und nachhaltigsten.
2) Man wählt den Weg über das Sozialgericht. Der ist allerdings lang - auch wenn einem möglichen Eilantrag zunächst standgegeben wird. Verliert man danach das Berufungsverfahren (ist eher unwahrscheinlich aber möglich) bleibt man auf den Kosten sitzen und hat immer noch keine Lösung…
Eine dritte Variante währe noch die Beschwerde über den Ombudsmann des Bundes - aber das würde ich erstmal vergessen weil es selten eine konkrete Lösung bring…
viele Grüße Michael
@Matti - ich verstehe die Wut und die teile sie - aber bevor man zu den großen Waffen greift hilft es manchmal auch durch ein Loch zu schießen