Hallo liebes Forum,
ich bin sehr froh, Euch gefunden zu haben! Ich bin 36 Jahre alt und bin - wie ich anhand anderer Beiträge mitbekommen habe - eine der wenigen Leute mit einer Stuhlentleerungsstörung, die sich durch eine schwere Obstipation des Enddarms äußert.
Ich denke aber, dass die Probleme ähnliche sind, auch wenn ich nicht unwillkürlich Stuhl verliere, sondern ihn im Gegenteil - zu lange behalte.
Die Probleme fingen schon mit ca. 9 Jahren als, als ich teilweise bei hartem Stuhlgang auf den Damm drücken musste (von außen). Als Baby/Kleinkind/frühe Grundschülerin hatte ich keinerlei Probleme damit. Über die Jahre/Jahrzehnte ist es immer schlimmer geworden und mittlerweile muss ich etwa 90 Prozent des Stuhlgangs digitieren (also manuell ausräumen; ich reise also immer mit vielen Einmalhandschuhe und Salben). Nach mehreren Analfissuren und einer Analvenenthrombose ist auch das nicht mehr so "einfach" wie früher. Ich benötige mittlerweile ständig Nitro-Salbe oder Diltiazem-Salbe. Die auf den Enddarm beschränkte Verstopfung ist unabhängig von der Stuhlkonsistenz (Durchfall oder Kotbrocken - weitgehend egal). Mein Darm muss schon sehr voll mit Stuhl sein, damit ich nichts "vordehnen" muss. Wie mich das auf meinen Alltag auswirkt, kann sich sicher jeder denken - ich kenne die "besten" kostenlosen Toiletten der Stadt, muss vor längeren Ausflügen immer weitgehend sicher sein, dass der Darm leer ist und bin auch schon in peinliche Situationen auf öffentlichen Toiletten geraten (z. B. wegen des langen Aufenthalts dort oder des Geruchs). Ich bin auch nicht gerne bei anderen Leute länger zu Besuch, weil ich die Umstände nur sehr schlecht erklären kann. Zudem habe ich auch noch Lebensmittelunverträglichkeiten, so dass Durchfälle häufiger sind als bei anderen Menschen.
Was ich mir von Ärzten teilweise anhören durfte, ist unsäglich. Als ich bei einer proktologischen Untersuchungen wegen einer meiner Fissuren mal das mit dem "Digitieren" andeutete, sagte der Arzt halb empört: "Lassen Sie das doch. Das ist unhygienisch!" (Ironie an - klar, das mache ich auch aus Vergnügen - Ironie aus). Stattdessen wurde ich - auch von anderen Ärzten- teilweise wie eine - ich nenne es mal - "banal Verstopfte" behandelt. Teilweise durfte ich noch um die Nitro-Salbe betteln. Man bekommt Bilder von ideal geformten Stuhl gezeigt und etwas über Flohsamen erzählt. Von anderen Ärzten durfte ich mich in die Psychoecke schubsen lassen wegen meines hohen Analsphinktertonus (ein anderer Arzt sagte hingegen, mein Tonus sei nicht höher als bei anderen Menschen) - ein Arzt fragte mich, ob ich sexuell missbraucht worden sei (kann ich definitiv ausschließen und ich verdränge da auch nix) und empfahl mir Sauerkraut für die Verdauung
Bei einer Röntgendefäkographie wurde zwar eine kleine ventrale Rectozele festgestellt, diese erschien jedoch den Chirurgen nicht revisionsbedürftig. Stattdessen wurden mir Beckenbodentraining (ich hatte auch bereits vor der chirurgischen Visite Biofeedback mit so einem Tens-Gerät, dieses musste ich jedoch schmerzbedingt nach einer Behandlung abbrechen) und das Aufsuchen einer psychosomatische Klinik empfohlen (mal im Ernst - das ist doch bei mir genauso, als ob eine Fraktur durch Geplauder geheilt werden sollte). Teilweise gab es auch blöde Sprüche hinsichtlich meiner Beckenbodenanspannung von meiner Frauenärztin. Ich habe auch nette Ärzte erlebt, aber so richtig versteht niemand mein Problem. Jetzt bin ich nur froh, wenn ich die Salben verschrieben kriege.
Wenn ich aber an mein weiteres Leben denke, erfasst mich oft Verzweiflung. An eine Beziehung ist nicht zu denken, Kinder werden mir auch nicht möglich sein (wer weiß, was sich mein Beckenboden da noch einfallen lassen würde und wieviele Fissuren, Analvenenthrombosen und Hämorrhoiden ich dann noch ertragen müsste) und beruflich (ich bilde mich grade weiter) habe ich Angst, dass meine Zukunft durch die Erkrankung stark eingeschränkt wird wegen langer Toilettengänge und fehlender Spontaneität.
Ich weiß, dass klingt sehr negativ und eigentlich bin ich ein positiver Mensch
, der trotzdem versucht, sich das Leben gut zu gestalten. Ich gehe auch gerne mal aus, aber leider ist die vorübergehende Unbeschwertheit immer verdeckt durch diese Wolke. Bin ansonsten weitgehend gesund. Es ist auch oft so, dass ich mich nach gefühlt stundenlangen "Klo-Sessions" vor mir selber ekele und denke, dass ich noch nicht mal "Dinge" kann, über die andere gar nicht nachdenken müssen
Ich finde, dass sicher auch viele von Euch, die unter Inkontinenz leiden, mich verstehen können und freue mich, im Forum posten zu dürfen.
Liebe Grüße
Mira