Hallo,
nachdem die ersten Pressemitteilungen zu diesem Thema über die Ticker liefen, erinnerte ich mich an die 2005 erschienenen Mohammed-Karikaturen.
Dem damaligen Aufschrei großer Teile der arabischen Welt konnte ich nur sehr bedingt nachvollziehen. Die darauf folgenden Gewaltausbrüche, bei denen fast 100 Menschen getötet wurden (Quelle:
Financial Times
) sind selbst bei ehrverletzenden Fehlverhalten nicht zu rechtfertigen.
Damals äußerten sich Teile der Deutschen Politik wie folgt:
Der damalige deutsche Innenminister Wolfgang Schäuble sagte am 2. Februar in der Welt: „Warum sollte sich die Regierung für etwas entschuldigen, was in Ausübung der Pressefreiheit passiert ist? Wenn sich da der Staat einmischt, dann ist das der erste Schritt zur Einschränkung der Pressefreiheit.“
Der Geschäftsführer der Grünen im Bundestag, Volker Beck, sagte: „Muslime müssen genau so wie die christlichen Kirchen und Juden Kritik und Satire ertragen.“
Paul Spiegel, damaliger Vorsitzender des Zentralrats der Juden in Deutschland sagte, der Streit um die Karikaturen sei ein schrecklicher Beweis für das Scheitern des politischen und interreligiösen Dialogs zwischen den verschiedenen Kulturen in den vergangenen Jahren.
Angesichts des Angriffs radikaler Palästinenser auf ein deutsches Kulturzentrum in Gaza äußerte auch die deutsche Kanzlerin Angela Merkel ihr Unverständnis: Der Umstand, dass man sich in seinen religiösen Gefühlen verletzt fühle, legitimiere keine Gewalt. Zugleich betonte sie, dass die Pressefreiheit ein unerlässlicher Bestandteil der Demokratie sei.
Und nun, titel beispielsweise Focus-Online: "Wie weit darf Satire gehen?". Eine wahrlich interessante Frage, über diese man trefflich diskutieren kann. Dabei offenbart sich eigene Doppelmoral, Selbstkritik inbegriffen.
Bei dieser Diskusion geht es vor allem um zwei Dinge. Darf man den Papst, dem Oberhaupt der römisch-katholischen Kirche, also geistiger Führer von 1,2 Milliarden Christen, verunglimpfen. Auch im Hinblick auf die von mir oben angeprochene Thematik, die große Teile der westlichen Gesellschaften mit Presse- und Meinungsfreiheit beantwortet hatten.
Sehr schnell findet man sich in einer moralischen Zwickmühle, zumindest ist dies bei mir so. Gerade westliche "Demokratien" nehmen doch in ihrem (Selbstherrlichen-) Selbstverständnis sehr gerne die uneingeschränkte Meinungsfreiheit als wichtiges, ja elementares Grundrecht, für sich in Anspruch. Zeit einmal darüber nachzudenken.
Abgesehen vom religiösen und poltischen Amt des Papstes steht hier natürlich auch ein Mensch, der auf üble Art und Weise diffamiert wird.
Hier hat der Mensch Josef Ratzinger selbstredend das Recht sich juritisch zu wehren. Ob er sich damit wirklich einen gefallen getan hat, ist allerdings zu bezweifeln. Hätten bis dahin vielleicht einige Tausend "Titanic" Leser entweder geschmunzelt oder vielleicht im besten Fall ihr Abo gekündigt, nimmt nun eine Weltöffentlichkeit an dieser Diskussion teil.
Selbstverständlich nutzt auch eine Verfügung eines Kölner Gerichtes nichts, um die Verbreitung dieser Bilder zu untersagen. Alleine über Google konnte ich mir die Bilder auf mehr als drei Dutzend Seiten anschauen.
Vielleicht ist aber Zeit einmal eine Grundsatzdiskussion anzuschieben. Diese ist ja ganz offensichtlich bereits im Gange.
Abschließend möchte ich noch auf den Umstand eingehen, dass gerade unser Thema, die Inkontinenz hier verwendet wurde um einen Menschen zu verunglimpfen. Natürlich "spielt" (besser benutzt) hier das Magazin mit den in der Gesellschaft leider weit verbreiteten Umgang mit Älteren. Der sabernde, inkontinente Greiß ist ein sehr unangenehmes Zerrbild, welches gesellschaftlich doch leider weit verbreitet.
Hatte nicht eine große Zahl der Deutschen dieses "Wir" Gefühl, als nach hunderten Jahren ein Deutscher wieder den Papstthron besetze. Es gipfelte gar in der Schlagzeile "Wir sind Papst". Dieses Nationalgefühl ist höchstens beim Gewinn der Fussball-EM oder WM wiederzufinden. Und nun? Wird ein sichtlich gealterter Mann, als inkontinenter bloßgestellt. Damit will sich naturgemäss niemand identifizieren.
Einer Gesellschaft der ständig die "ewige Jugend, körperliche Unversehrtheit und Schönheit" suggeriert wird, wird in weiten Teilen distanziert zu den Themen Alter, Krankheit und Behinderung, letzendlich auch der Vergänglichkeit und dem Tod.
Wir kämpfen bereits seit dem Jahr 2006 für die Aufklärung und Enttabuisierung des Themas Inkontinenz. Ich befüchte wir könnten noch 100 Jahre "weiterkämpfen". Sicherlich gibt es erste Erfolge, beispielsweise findet sich heute in fast jedem Supermarkt ein breites Sortiment an Inkontinenzhilfsmitteln oder es wird in den Hauptwerbezeiten für solche öffentlich geworben, und doch hat sich an der Verheimlichung der Problematik nicht viel getan.
Hier besteht nach wie vor der größte Handlungsbedarf. Tabuisierung findet zumeist innerhalb der Betroffenen statt. Unsere Einladung steht seit Jahren, leider nehmen sie nur sehr wenige Menschen an.
Als Betroffener finde ich diese Art der Satire ehrverletzend. Abgesehen von der persönlichen Verunglimpfung des Papstes, wird hier natürlich auch eine große Gruppe der Gesellschaft wieder einmal vorgeführt. Inkontinenz wird hier mit Kontrollverlust gleichgestellt.
Der Dummheit der Autoren, die mit Ressentiments Geld verdienen möchte, setzt der Chefredakteur der "Titanic" in seiner Stellungnahme selbst die Krone auf (man könnte auch Eselskappe schreiben). Zitat: "Man kann das Titelbild gar nicht anders deuten als wir das tun: Wir feiern mit dem Papst das Ende der Vatileaks-Affäre. Dabei verschüttet er Limonade auf seine Soutane", so Fischer.
Vielleicht lutscht die Redaktion aber auch nur zu viel an Buntstiften.
Matti