Lieber Johannes,
Leider kann ich nicht einfügen: Beziehe mich auf diese beiden Absätze meines Textes:
Natürlich werden die Kinder bestens versorgt, an Hilfsmitteln mangelt es nicht. Aber wenn du in die Augen schaust, siehst du nur Leere. Sie kommen mir vor wie verdorrte Blumen im Topf. Dann stellt sich mir die Frage, ist unsere Gesetzgebung zu human? Warum kann man nicht der Mutter von Amts wegen jede weitere Schwangerschaft verbieten (welcher Quatsch, wie soll das gehen! bzw. dafür sorgen, dass nicht weitere Schwangerschaft entstehen können? (Zwangssterilisation! Kann auch nicht sein!) rschrecke ich vor mir selber. Diese Klientin hat gleiche Recht über ihren Körper zu bestimmen wie ich. Wenn man mal eine Statistik zu sehen bekommt ist die Wahrscheinlichkeit ein Kind mit Handicap zu bekommen 10 mal höher.
Hier müsste jetzt doch der Ansatz anfangen. Wir müssen diesen Kindern Bildung vermitteln. Das bedeutet einen immensen Aufwand, den unser Schulsystem nicht leisten kann.
So unverständlich habe ich mich eigentlich nicht ausgedrückt. Die meisten Menschen, mit denen ich zu tun habe, verstehen mich! Ich habe doch das gleiche gesagt wie du!! Wir müssen da anfangen, wo die Ungerechtigkeiten beginnen, nämlich bei den Menschen, die sich kein Gehör verschaffen können. Wichtig ist natürlich, dass erstmal a l l e Menschen das gleiche Recht auf Bildung haben. Dazu würde gehören, dass alle nach ihren Fähigkeiten gefördert würden und entsprechende Beschäftigungsmöglichkeiten erhalten würden. Das Problem ist nicht Hartz IV, sondern die Langeweile, das Gefühl nutzlos zu sein usw. Daraus folgt dann die Antriebs- und Mutlosigkeit bis hin zu schwersten Depressionen. Hier muss m.E. eine ganz große Reform stattfinden.
Inklusion finde ich wunderbar, aber dann muss auch der Rahmen von der Politik geschaffen werden. Ich war an einer Oberschule - Integrationsschule. Im ersten Jahr der Integration standen uns noch 3 Sonderschulpädagogen zur Seite. Wegen fehlender Lehrerstellen, sind sie wieder abgezogen worden. Die Situation stellt sich jetzt so dar: 27 - 32 Kinder in einer Klasse. Davon brauchen 3 - 5 eine spezielle Förderung, die der Lehrer im Schulalltag nicht leisten kann. Zum einen ist er dafür nicht ausgebildet, zum anderen soll er aber auch die 3 "Super-Schüler" und die 25 restlichen Kinder so unterrichten, dass sie den vorgegebenen Stoff schaffen. Wer bleibt wieder auf der Strecke? Es sind die Kinder, deren Eltern nicht laut genug nach ihren Rechten schreien. Alle Eltern müssten doch bei diesen katastrophalen Bedingungen auf die Straße gehen. Warum tun sie es nicht? Bequemlichkeit? Die Hauptsache ihr Kind "kommt durch?" oder Zeitmangel? Bildung ist nun mal der Schlüssel zur Arbeit bzw. Beschäftigungsmöglichkeiten. (Bildung bedeutet auch: Soziale Kompetenzen. Man ist auch ohne Abschluss etwas wert!)
Recherchiere mal im Internet nach "Die v. Bodelschwinghschen Stiftungen Bethel in Bethel. Das ist eine Stadt mit jungen und alten, gesunden, kranken oder behinderten Menschen. Bethel ist eine komplette eigene kleine Stadt mit rund 3.000 Einwohner. Kinderkrippen, Schulen, Lernwerkstätten und Arbeitsstätten. Ich war oft schon dort, und es ist total faszinierend, die Stadt zu besuchen. Alle haben dort Arbeit, es sei denn, sie verleben dort ihren Ruhestand, nachdem sie vorher dort beschäftigt waren. Wenn du durch die Werkstätten gehst und siehst mit welchem Eifer und Fröhlichkeit die Menschen mit Down Syndrom dort Arbeiten und was sie oft für wunderbare Fähigkeiten haben, dann kann man nur staunen. Sie finanzieren sich alleine durch ihre Arbeit, Stiftungsgelder und Spenden. Dies ist nur möglich, weil die Kinder von klein auf gefördert werden und soziale Kompetenz erlernen. Es gibt auch Elternpaare dort, die beide mit Down Syndrom geboren wurden. Im ganzen Dorf habe ich noch nie einen unfreundlichen Menschen getroffen. Es herrscht eine äußerst positive Grundstimmung.
Wahrscheinlich habe ich jetzt wieder etwas missverständlich ausgedrückt, aber meine Kollegin hat mich verstanden und vielleicht haben wir in Niedersachsen eine andere Sprache!
Da es mir sonst eigentlich äußerst selten passiert, dass man mich so gar nicht versteht, Klammern überliest oder falsch interpretiert möchte ich euch eine Geschichte übermitteln aus den Zusatzmaterialien "Kopiervorlagen zum Kursbuch Religion Berufsbildende Schulen, Calwer Verlag". Dieses Schulhalbjahr hat das Thema Behinderungen und bei mir beginnt jede Unterrichtsstunde mit einem Märchen, Parabel oder Fabel. Da es sich um eine Kopiervorlage handelt, ist die Veröffentlichung damit erlaubt. Geschrieben wurde diese Geschichte von Emily Pearl Kingsley:
Wenn man ein Baby bekommt, ist es so als ob man sich auf eine fantastische Reise begibt --- nach Italien. Man kauft eine Menge an Touristenführern und macht wundervolle Pläne. Das Kolosseum. Den Michelangelo, David, Die Gondeln in Venedig. Man lernt bestimmt auch ein paar Wörter auf Italienisch. Kurz es ist eine sehr schöne Zeit.
Nach einigen Monaten der schönen Vorbereitung ist endlich der große Tag da !!! Du packst deine Koffer !!! Einige Stunden später, das Flugzeug landet. Die Stewardess kommt und sagt "Willkommen in Holland".
"Holland?" sagst du. "Was meinen Sie? Ich habe doch einen Urlaub nach Italien gebucht!!! Ich soll doch in Italien sein. Mein ganzes Leben habe ich davon geträumt nach Italien zu fliegen."
Aber da war eine Flugplanänderung. Der Flieger ist in Holland gelandet und du musst da bleiben.
Das wichtigste ist, dass du nicht in einem dreckigen, seuchenverpesteten Land gelandet bist. Es ist nur anders!!!
Also, jetzt fängst du wieder an und kaufst neue Touristenführer. Du musst jetzt eine völlig neue Sprache lernen. Und du wirst eine total neue Gruppe von Menschen treffen, die du vielleicht niemals kennengelernt hättest, wenn die Dinge anders wären.
Es ist nur ein anderer Ort. Es ist langsamer als Italien, vielleicht nicht so viel Glamour. Aber wenn du eine Zeit lang dort bist, merkst du schnell, dass es auch seine Vorteile hat. Du fängst an um dich zu schauen: Holland hat wunderschöne Windmühlen, Holland hat Tulpen. Holland hat sogar Rembrandt.
Aber jeder, den du kennst, ist zu beschäftig, die Schönheit Hollands zu erkennen, denn alle sind auf dem Weg nach Italien. Alle erzählen wie toll es doch in Italien ist und was für eine tolle Zeit der Urlaub doch war. Und --- für den Rest deines Lebens wirst du dir sagen, "Ja, das ist der Urlaub den ich geplant hatte! Italien, da wollte ich auch hin!!"
Und das Gefühl verletzt zu sein, einen Traum verloren zu haben wird nie verschwinden. Denn ein großer Traum ist nicht wahr geworden, ein großer Verlust!!!
Aber wenn du immer und immer wieder den Verlust deines Italien Urlaubs beweinst, wirst du niemals die Schönheit Hollands und dessen spezielle Sehenswürdigkeiten sehen, kennen und lieben lernen. Denn Holland ist genauso wie Italien eine Erfahrung für sich und den Betrachter!!!
Ein schönes WE und solltet ihr mich wieder nicht verstehen, macht euch nichts d`raus, wir klären das in Berlin.
Liebe Grüße
Elke