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Wollen wir eine Welt "ohne" Behinderte?

22 Aug 2016 17:43 - 22 Aug 2016 17:46 #1 von Matti
Hallo,

derzeit erfolgt eine Diskussion über die Früherkennung des Down-Syndrom durch einen Blutproben-Test, welchen die Krankenkassen bezahlen sollen (bislang musste dieser selbst gezahlt werden).

Dabei geht es, wie im Artikel dargestellt vornehmlich um reine Selektion und nicht um medizinische Versorgung oder Therapie. Der Test dient ja nur dazu, herauszufinden, ob das ungeborene Kind eine Trisomie hat.

In den allermeisten Fällen ist klar, wenn dies festgestellt wird, dass dieses Kind nicht zur Welt kommen wird, sondern vorgeburtlich getötet wird.

Link zum Hintergrundartikel:
www.domradio.de/themen/ethik-und-moral/2...own-syndrom-bluttest

Zitat aus dem Interview:

Dieser Test kostet ein paar Hundert Euro. Ich kenne ganz viele Menschen mit Spina bifida, die unter Inkontinenz leiden und eine Windel-Versorgung brauchen. Sie müssen um jede Windel kämpfen, dass sie die von der Krankenkasse bezahlt bekommen. Da zahlt die Krankenkasse nur die nötigste Versorgung. Bei dem Bluttest ist man im Gegensatz dazu ganz freigiebig. Das hat natürlich wirtschaftliche Gründe, weil man hofft, dass zukünftig wenig Menschen mit Down-Syndrom zur Welt kommen.

Dieses Verfahren sagt ja, es geht um Wirtschaftlichkeit. Es wird dann wirtschaftlich berechnet, wie teuer sind wohl Menschen mit Behinderung.


Ich finde dieses Thema passt sehr gut in ein Forum wie unseres (falls da jemand bedenken hat). Es geht hier weniger um Politik, sondern schlichtweg um Ethik und Moral.

Gruß

Matti





www.domradio.de/themen/ethik-und-moral/2...own-syndrom-bluttest

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22 Aug 2016 22:59 - 22 Aug 2016 23:01 #2 von Ano
Nein Matti, wir wollen keine Welt ohne Behinderte.
Ich finde diesen Satz sehr plakativ.
Er hört sich so an, als gäbe es auf unserer Welt nur eine einzige Gruppe Behinderter, nämlich die mit Down-Syndrom.
Das ist mir einfach zu billig.

Aber dieser Punkt, der Bluttest auf Trisomie 21, der in diesem Artikel angesprochen wird, ist ein ganz heikler und kann nicht so einfach in gut oder böse unterteilt werden.
Ich persönllich finde es gut, dass es eine solche Untersuchung gibt und ich finde es auch gut, dass sie bald von der KK bezahlt wird.
Im übrigen werden bei Schwangeren ab 35 Jahren die Kosten für eine Untersuchung des Fruchtwassers (Amniozentese) und des Mutterkuchens (Chorionzottenbiopsie) sowieso schon von den Kassen übernommen. Mit diesem neuen Bluttest sinkt die Gefahr von Fehlgeburten erheblich und das finde ich sehr begrüßenswert.

Ich bin mir als Mutter im Klaren darüber, dass ich mein Kind nicht sein ganzes Leben lang behüten kann. Normalerweise sterbe ich vor meinem Kind. Und was ist dann? Wer wird mein dann vielleicht erwachsenes "Kind" betreuen? Wenn man über seinen eigenen Tellerrand hinausschauen will, sollte man dies bitte auch berücksichtigen und nicht jene Eltern vorverurteilen, die sich genau darüber Gedanken machen und deshalb bei einem solchen Befund abtreiben. Denn leider muss man bei einem Down-Syndrom häufig mit einer Vielzahl von zusätzlichen Fehlbildungen oder Erkrankungen rechnen.

Herr Hüppe bezieht sich auf einen Artikel 10 der UN-Behindertenrechtskonvention: Dort stünde nämlich, dass jeder Mensch mit Behinderung ein Recht auf Leben hat.
Nun ist hier bei uns in Deutschland meines Wissens ein Schwangerschaftsabbruch bis zur 9. Woche völlig legal.
Dann müsste man diesen ebenfalls verbieten, denn auch hier wird Leben genommen.

LG, Ano

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22 Aug 2016 23:30 - 22 Aug 2016 23:32 #3 von Matti
Liebe Ano,

ich muss gestehen, dass mir´s Maul immer noch offen steht. Okay, ist deine Meinung.

Ich bin mir als Mutter im Klaren darüber, dass ich mein Kind nicht sein ganzes Leben lang behüten kann. Normalerweise sterbe ich vor meinem Kind. Und was ist dann? Wer wird mein dann vielleicht erwachsenes "Kind" betreuen?


Ano, wir leben nicht in Timbuktu!

Lautet die Diagnose Down-Syndrom, wird die Lebensberechtigung eines solchen Kindes in Frage gestellt? Bei mehr als 90% der Kinder wird heute bereits ein Abbruch der Schwangerschaft eingeleitet.

Nach der Logik müsste man auch Kinder die durch einen Geburtsschaden (was für ein schrecklicher Begriff) eine Behinderung "erhalten" zeitnah nach der Geburt euthanasieren. Das Kind was vors Auto gerannt ist, oder im See fast ertrunken wäre, oder...

Ich bin nicht gläubig, aber der Mensch sollte sicher nicht Gott "spielen".

Matti

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22 Aug 2016 23:39 #4 von Ano
Lieber Matti!

Auch wenn wir nicht in Timbuktu leben - Du weißt sicher aus eigener Erfahrung, wie es heutzutage in Pflegeeinrichtingen aussieht ??? Meinst Du, das wird besser werden ??? Meinst Du, ich würde es als Mutter gutheißen, wenn mein Kind dort untergebracht würde wenn ich es nicht mehr pflegen kann ???

Nach der Logik müsste man auch Kinder die durch einen Geburtsschaden (was für ein schrecklicher Begriff) eine Behinderung "erhalten" zeitnah nach der Geburt euthanasieren. Das Kind was vors Auto gerannt ist, oder im See fast ertrunken wäre, oder...


Was Du hier beschreibst, dass sind Unfälle, Unglücke, wie sie jedem jederzeit passieren können und selbstverständlich wird und muss alles unternommen werden, um Leben zu retten und zu erhalten.
Das gehört nicht zum eigentlichen Thema, mein Lieber.

Wir haben hier von praenataler Diagnostik gesprochen.

LG, Ano

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23 Aug 2016 00:00 #5 von Ano
... und wenn du hier schreibst, der Mensch sollte nicht Gott spielen.
Tun wir das nicht schon längst, in dem wir Herzen und andere lebenswichtige Organe verpflanzen bzw. austauschen um Leben zu verlängern? Und was ist mit der hochtechnisierten Apparatemedizin auf den Intensivstationen, die die Menschen teilweise am Sterben hindert?
Spielen wir nicht schon längst "Gott"?

Mich würden hier ja auch noch andere Meinungen dazu interessieren.

Lg, Ano

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23 Aug 2016 00:04 - 23 Aug 2016 09:17 #6 von Matti
Nee Ano,

wir (zumindest ich) sprechen hier nicht von praenataler Diagnostik, sondern von SELEKTION!

Meinst Du, ich würde es als Mutter gutheißen, wenn mein Kind dort untergebracht würde wenn ich es nicht mehr pflegen kann ???


Deshalb ist der (vorsorgende) Tod die humanere Lösung? Für alle Beteiligten? Nicht dein ernst, oder?

Wenn du dir einmal 13 Minuten Zeit nimmst, vielleicht verändert dieser Film etwas (aber bis zum Ende schauen).




Ich denke aber wir zwei beiden sollten uns über dieses Thema nicht weiter austauschen.

Für die Mutigen vielleicht noch dieser eindrucksvolle Artikel:

www.zeit.de/feature/down-syndrom-praenat...luttest-entscheidung


Matti

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23 Aug 2016 10:17 #7 von Maulwurf
Hallo,

Ich möchte (erst mal) gar keine Wertung dazu abgeben. Vielleicht zu späterer Zeit.

Was ich aber ergänzen möchte: bei Spiegel online gibt es ja die Möglichkeit Kommentare zu hinterlassen. Dort gab es ebenfalls einen Artikel zu dieser Diagnostik. Und mehrere Kommentare haben bereits gefordert, dass diese Tests verpflichtend sein sollten und ebenfalls gefordert, wenn sich die Eltern trotzdem für ein behindertes Kind entscheiden, die Krankenkassen dies nicht mehr bezahlen sollten.

Dies erst mal "wertfrei" ergänzend zur Information was Teile unserer Gesellschaft denken und in welche Richtung sich so etwas entwickeln könnte.

Gruß
Maulwurf

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23 Aug 2016 10:31 #8 von Ano

Maulwurf schrieb: Hallo,

Ich möchte (erst mal) gar keine Wertung dazu abgeben. Vielleicht zu späterer Zeit.

Was ich aber ergänzen möchte: bei Spiegel online gibt es ja die Möglichkeit Kommentare zu hinterlassen. Dort gab es ebenfalls einen Artikel zu dieser Diagnostik. Und mehrere Kommentare haben bereits gefordert, dass diese Tests verpflichtend sein sollten und ebenfalls gefordert, wenn sich die Eltern trotzdem für ein behindertes Kind entscheiden, die Krankenkassen dies nicht mehr bezahlen sollten.

Dies erst mal "wertfrei" ergänzend zur Information was Teile unserer Gesellschaft denken und in welche Richtung sich so etwas entwickeln könnte.

Gruß
Maulwurf


Das wäre allerdings eine Katastrophe und wahrhaft eine Selektion und in keinster Weise tolerierbar !!!
LG, Ano

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23 Aug 2016 21:48 #9 von Elkide
Hallo lieber Matti, liebe Ano, lieber Maulwurf,

ich finde, es gibt Themen, die sich schlecht diskutieren lassen. Diese Entscheidung hängt von so vielen persönlichen Faktoren ab und ich würde es mir nie anmaßen, die Entscheidung - egal ob für oder gegen das Kind - in irgendeiner Form zu bewerten. Ich würde im Gespräch meine Position erzählen und begründen. Diskutieren würde ich nicht!

Liebe Grüße
Elke
Folgende Benutzer bedankten sich: Johannes1956

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23 Aug 2016 23:05 #10 von Maulwurf
Hallo Elkide,

Ich denke, es ging Matti auch nicht um eine persönliche Entscheidung oder die Rechtfertigung dieser. Es geht hier eher darum, ob ein Test angeboten werden soll, der diese Selektion leichter macht. Ob er vielleicht sogar gefördert werden soll ?

Jetzt sage ich doch noch meine Meinung dazu: ich persönlich könnte nie ein Kind abtreiben beziehungsweise meiner Partnerin dazu raten. Meine Partnerin und ich haben auch vorher darüber gesprochen, und mit einer Frau, die ein Kind abtreiben würde, hätte ich wahrscheinlich auch keins kriegen wollen.
Zum Glück hatten meine Frau und ich die gleiche Einstellung, dass wenn wir ein behindertes Kind kriegen würden, wir das auch trotzdem haben wollten.

Die etwas plakativer Frage von Matti war ja: wollen wir eine Welt ohne behinderte? Dazu würde ich spontan Ja sagen. Aber in dem Sinne, dass ich mir wünschen würde, dass man alle Krankheiten und Behinderungen heilen kann. Dies ist aber ja illusorisch. Ich habe ja schon den anderen Beiträgen durch klingeln lassen, wie sehr ich mit meiner Behinderung hardere. Daher wünsche ich jedem Gesundheit. Aber ist das ein Grund, ein Kind im Mutterleib umzubringen für mich? Nein.


Hier geht es ja auch nicht darum, mit dem Test eine bessere Therapie oder Heilung zu ermöglichen, sondern schlichtweg darum, den Eltern die Möglichkeit zu geben, sich dann gegen das Kind zu entscheiden. Daher finde ich den Test per se auch sehr schlecht. Eine Selektion schon im Mutterleib gegen Behinderte, das ist für mich schon aus Glaubensgründen nicht vereinbar.

D.h. nicht, dass ich jemanden verurteilen, der ein Kind abtreibt. Für mich käme es nur nicht infrage. Ich denke auch, dass dieser Test Eltern noch stärker unter Druck setzt abzutreiben. Eine Abtreibung ist für mich immer ab zu lehnen. Die einzige diskussionswürdiger Thematik wäre, wenn es das Leben der Mutter in Gefahr bringt.

Aus diesen Gründen bin ich gegen den Test.

Vor allem stellt sich mir die Frage, wo hört das auf? Wenn es einen Test gibt, dass ein Kind schon früh Krebs kriegt, wird es dann auch abgetrieben? Und irgendwann vielleicht, weil es nicht den gewünschten IQ hat?

Maulwurf

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