Hallo Mimixa,
ich habe ebenfalls einen hohen Pflegegrad. Mir passiert es auch hin und wieder, das ein hoher Pflegegrad mit einer stationären Heimunterbringung gleichgesetzt wird oder diese zumindest vermutet wird.
Um hier einmal ein gesellschaftliches Missverständnis auszuräumen:
4,17 Millionen Pflegebedürftige beziehungsweise 84 % wurden 2021 zu Hause versorgt. Davon wurden 3,12 Millionen Pflegebedürftige überwiegend durch Angehörige gepflegt. Weitere 1,05 Millionen Pflegebedürftige lebten ebenfalls in Privathaushalten, sie wurden jedoch zusammen mit oder vollständig durch ambulante Pflegedienste versorgt. 16 % oder 0,79 Millionen Pflegebedürftige wurde in Pflegeheimen vollstationär betreut.
Quelle:
www.destatis.de/DE/Themen/Querschnitt/De...mografie-pflege.html
LEISTUNGSPFLICHT DER GKV ist immer gegeben, wenn:
Die Verordnung von Inkontinenzhilfen zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung kommt
dann in Betracht, wenn der Einsatz der Inkontinenzhilfen:
• medizinisch indiziert und
• im Einzelfall erforderlich ist und
• den Versicherten in die Lage versetzt, Grundbedürfnisse des täglichen Lebens zu befriedigen und Teilhabe zu erreichen
Davon gibt es nur
eine Abweichung:
Erfolgt der Einsatz der Inkontinenzhilfsmittel aus anderen Gründen, z.B. zur Pflegeerleichterung, hat das Pflegeheim die Kosten zu tragen. Dies stellt sich im Verlauf des Dialogs aber bei dir ja obsolet, sprich
es besteht Leistungspflicht durch die Krankenkasse.
Zum Thema:
Mir ist nicht ganz klar, von welcher Zuzahlung wir sprechen. Gesetzliche Zuzahlung oder wirtschaftliche Zuzahlung.
Bei gesetzlicher Zuzahlung wäre es die von Michael angesprochene 10% Regelung mit maximaler Zuzahlungshöhe von 10 Euro / Monatsbedarf und unter Berücksichtigung der Chronikerregeln bzw. der gesonderten Regeln bei Sozialleistungsbeziehern (falls dies für dich relevant ist).
Wirtschaftliche Aufzahlung hingegen ist theoretisch nicht begrenzt. Allerdings greift hier auch die Verpflichtung des Sachleistungsprinzips. Sprich: Dein Leistungserbringer ist verpflichtet dir ein individuell passendes und deinen Anforderungen gerecht werdendes Hilfsmittel ohne wirtschaftliche Zuzahlung zur Verfügung zu stellen. In deinem Fall forderst du ja kein höherwertiges Hilfsmittel, sondern eines was dem Vorherigen entspricht.
Gemäß § 33 SGB V steht gesetzlich versicherten Personen ein Anspruch auf Hilfsmittelversorgung durch ihre Krankenkasse zu. Dieser Anspruch wird von der Krankenkasse durch die Abschlüsse von Verträgen gemäß § 127 SGB V im Rahmen des Sachleistungsprinzips umgesetzt. Hierbei müssen die Krankenkassen die Qualitätsanforderungen des Hilfsmittelverzeichnisses nach § 139 SGB V bei der Vertragsgestaltung berücksichtigen.
LEISTUNGSPFLICHT DER GKV
Ich habe hier die neuen Regeln, die seit der Fortschreibung des Hilfsmittelberzeichnis verbindlich sind, blau hervorgehoben und die gestrichenen vorherigen Formulierungen rot markiert.
Die Verordnung von Inkontinenzhilfen zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung kommt dann in Betracht, wenn eine mindestens mittlere Urin- und/oder Stuhlinkontinenz vorliegt und der Einsatz der Inkontinenzhilfen:
- medizinisch indiziert und
- im Einzelfall erforderlich ist und
- den Versicherten in die Lage versetzt, Grundbedürfnisse des täglichen Lebens zu befriedigen
und Teilhabe zu erreichen.
Insbesondere im Bereich der aufsaugenden Inkontinenzversorgung ist die Stückzahl der benötigten Inkontinenzprodukte nicht allein auf Basis der individuellen Ausscheidungsmenge und des technisch maximal möglichen Aufsaugvermögens zu errechnen. Auch die hygienischen Anforderungen und die pflegerische Situation sind stets zu beachten.
So können zum Beispiel für eine bedarfsgerechte Versorgung je nach Einzelfall 5 oder mehr Produkte in einem Zeitraum von 24 Stunden notwendig sein. Die Versorgung mit weniger als 3 Produkten in einem Zeitraum von 24 Stunden ist in begründeten Einzelfällen möglich. Neben der individuellen, bedarfsbezogenen Inkontinenzversorgung sind sowohl die hygienischen Anforderungen als auch die pflegerische Situation stets zu beachten. So können für eine bedarfsgerechte Versorgung je nach Einzelfall 5 oder mehr Produkte in einem Zeitraum von 24 Stunden notwendig sein.
Das Problem nimmt zu:
Während im
Jahr 2013 durchschnittlich noch 23,41 Euro für die Versorgung mit aufsaugenden Hilfsmittel bezahlt wurden, sanken die Pauschalen auf einen Tiefpunkt im Jahr 2022 mit 16,92 Euro und erfuhren nun e
ine erstmalige Steigerung seit 10 Jahren um wenige Cent auf aktuell durchschnittlich 17,20 Euro.
Die Problematik spitzt sich vor allem deshalb zu, weil die Inflation, explodierende Rohstoffkosten und höhere Kosten für Dienstleistung sich nicht in den Pauschalen abbilden. Reihenweise erhalten wir die Rückmeldung, dass den Versicherten mitgeteilt wird, dass entweder die vereinbarte Stückzahl an monatlichen Hilfsmitteln reduziert oder eine wirtschaftliche Aufzahlung erhoben werden müsse.
Auch wenn der Gesetzgeber definiert, dass ausschließlich Grundbedürfnisse befriedigt werden müssen - was auch zu hinterfragen wäre, aber nicht unser heutiges Thema sein soll -, ist der Begriff des „Maß des Notwendigen“ in der Lebenswirklichkeit der Versicherten (§ 2 Absatz 2 und 4 SGB V) nur schwer zu definieren: Dafür unterscheiden sich die Versorgungssituationen ebenso wie die einzelnen Menschen zu stark!
Wenn dein Leistungserbringer eine Produktlinie einstellt, die zuvor als individuell passendes und notwendiges Hilfsmittel in Passform und Aufnahmekapazität durch eben diesen ermittelt wurde, kann der Leistungserbringer nicht auf ein Hilfsmittel verweisen, welches diesen Anforderungen nicht gerecht wird. Auch halte ich die Erhöhung von wirtschaftlichen Zuzahlungen für nicht gerechtfertigt.
Mögliche Lösungswege:
- Gespräch mit dem derzeitigen Versorger. Dieser möchte dir begründen, warum trotz jahrelanger Versorgung mit einen Produkt, welches dir ja nach Beratung und Ermittlung deines Bedarfs geliefert wurde, nach Einstellung des Produkt beim Versorger, nun ein Produkt in geringerer Saugstärke als individuell festgestellter Versorgungsbedarf ausreichend sein soll.
- Neue Bemusterung mit zuzahlungsfreien Produkten durch deinen jetzigen Leistungserbringer. Dabei sollten die Kriterien des vorherigen Hilfsmittels der Maßstab sein (Aufnahmekapazität, Aufnahmegeschwindigkeit, Passform).
- Alternativer Versorger
Ich habe zwar ein grundsätzliches Verständnis, dass Hersteller und Leistungserbringer aufgrund stark gestiegener Kosten in die Bredouille geraten wirtschaftlich noch versorgen zu können, dies kann aber nicht auf dem Rücken der Betroffenen ausgetragen werden.
Die von Michael angesprochene Einzelfallentscheidung ist in der Praxis kaum zu begründen, weil der Markt nach dem Wegfall der Ausschreibungspraxis grundsätzlich offen ist (Beitrittsverträge) und das Produktsortiment der Leistungserbringer riesig und umfangreich ist.
Dies gilt nämlich nur, wenn:
Soweit für ein erforderliches Hilfsmittel keine Verträge der Krankenkasse nach Absatz 1 mit Leistungserbringern bestehen oder durch Vertragspartner eine Versorgung der Versicherten in einer für sie zumutbaren Weise nicht möglich ist, trifft die Krankenkasse eine Vereinbarung im Einzelfall mit einem Leistungserbringer.
Dies kann man bei der Versorgung mit Inkontinenzhilfsmitteln aber regelhaft ausschließen.
Gruß
Matti