Hallo David!!
Ich finde mich in deiner Geschichte (zumindest teilweise) wieder, sodass ich dir durch die Erfahrungen meiner Erkrankung hoffentlich ein Paar Tipps geben kann.
Ich bin mit 38 Jahre alt (also ähnlich alt wie du) und leide unter einer Dranginkontinenz. Bei mir hat es nachts vor 12 Jahren angefangen und vor gut einem Jahr tagsüber. Die zunehmende Drangsymptomatik habe ich über längere Zeit nicht richtig wahrgenommen (oder nicht wahr haben wollen?) Ab dem Zeitpunkt wo ich täglich Unfälle hatte, habe ich mich in einer Kontinenzsprechstunde im Januar 2023 vorgestellt. Ein paar mehr Details findest du in den Beiträgen die ich geschrieben habe.
Ich befinde mich gerade in der Testphase eines Blasenschrittmachers. Ich habe eine Linderung, sodass eine Implantation in knapp 2 Wochen geplant ist.
Soviel zu mir, jetzt zu dir: du beschreibst einen plötzlich eintretenden Harndrang mit Urinverlust. Dies spricht zwar für eine mögliche Dranginkontinenz, wobei eine Diagnose erst durch eine fachärztlicher Vorstellung mit Anamnese und Diagnostik gestellt werden kann. Wenn du im Forum nach den ähnlichen Fällen stöberst, wirst du sehen (was ich auch festgestellt habe), dass eigentlich immer die gleiche Struktur empfohlen wird:
0) Ich fange mit der Zahl 0 an, weil ich der Meinung bin, dass vor dem eigentlichen Weg mit der Inkontinenz eins wichtig ist: Vorstellung beim Hausarzt. Er kennt dich wohlmöglich am besten uns kann eventuell feststellen, ob andere Symptome (unabhängig von der Inkontinenz) neu sind und eventuell dringlich/gefährlich sein könnten. Du nennst ja neurologische Symptome, dies sollte zügig zumindest diskutiert werden. Wenn da alles OK ist, kann man sich um die Inkontinenz kümmern.
1) Urologische Vorstellung: dort Anamnese, Miktionsprotokoll, urologische Diagnostik je nach Indikation. Bei mir wurden Ultraschall, Blasenspiegelung und Urodynamik durchgeführt
2) Weiterführende Diagnostik und Vorstellung bei anderen Fachärzte: Abhängig davon was festgestellt wurde. Bei mir wurden MRTs des Kopfes und der Wirbelsäule durchgeführt und ich wurde neurologisch vorgestellt. Da bei dir anscheinend sowohl neurologische als orthopädische Erkrankungen bestehen, wird in dieser Richtung sicherlich eine Vorstellung und Diagnostik sinnvoll sein. Für eine Dranginkontinenz kann es diverse Ursachen geben. Die Dranginkontinenz kann auch das Symptom einer anderen Erkrankung sein, sie kann aber auch ohne erkennbare Ursache entstehen.
3) Therapie: Ich werde hier nicht die komplette Therapie aufzählen. Zusammenfassend kann man sagen: es ist eine Stufentherapie über Verhalten, Medikamente, Interventionen wie Botox und Operationen wie Blasenschrittmacher.
Aus meiner Erfahrung des letzten Jahres und aus den Empfehlungen die ich hier im Forum erhalten habe kann ich dir noch folgende Impulse/Gedanken mitgeben. Diese sind persönlich und können anders gesehen werden:
- die Inkontinenz ist zwar an sich nicht gefährlich, sie macht aber was mit einen. Es gibt sowohl körperlich als auch psychisch bessere und schlechtere Tage.
- Mit der Zeit lernt man den Umgang mit seiner Erkrankung und man findet eine (neue) Normalität.
- Trotz der Probleme und der Tränen die zwischendurch geflossen sind, bin ich ein glücklicher Mensch und bin mit meinem Leben zufrieden. Dies wünsche ich dir und allen Mitbetroffenen
- Die Inkontinenz gehört zu mir, ist aber nicht das was mich als Mensch ausmacht. Ich bin vor Allem Partner, Familienvater, Arbeitskollege, Kumpel u.v.m.
- Lass dich in einer Kontinenzsprechstunde anbinden. Dort bist du länger angebunden und solltest dich gut versorgt fühlen
- Hilfsmittel sind häufig notwendig um am Leben teilzunehmen zu können. Noch wichtiger ist aber die Therapie um die Symptome zu lindern/minimieren. In vielen Fällen ist eine deutliche Symptomlinderung möglich!
- Mir wurde hier im Forum geschrieben, dass man nicht mit Kanonen auf Spatzen schießen soll: mit der Therapie erstmal klein anfangen und nicht gleich mit der invasivsten Therapie beginnen. Habe Geduld!
- Jeder geht mit seiner Erkrankung anders um und leidet anders: die Therapie und der Umgang muss zu dir persönlich passen. Lasse dich beraten und entscheide selbst was für dich am besten passt!
- Versuche dich gedanklich nicht den ganzen Tag mit der Erkrankung zu beschäftigen. Bei mir ist es so, dass die Symptome schlimmer sind wenn ich mich zu sehr damit beschäftige... dies demonstriert den Einfluss der Psyche auf körperliche Symptome.
So, das war jetzt sehr viel. Ich hoffe, dass es dich ein bisschen weiter bringt. Du wirst sicherlich nich sehr wertvolle Tipps von den Alten Hasen hier im Forum erhalten.
Erstmal für dich alles gute!
Viele Grüße
Bruno