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Dranginkontinenz - Botox?

21 Nov 2019 21:50 - 21 Nov 2019 22:04 #1 von stephanw
Hallo liebe "Mitleidenden",

ich bin Stephan, 39 Jahre alt und leide seit über einem Jahr an einer zunächst sehr starken, dank Vesikur (10mg) mittlerweile etwas besser gewordenen Dranginkontinenz. Ich habe mich diese Woche endlich zu einer Urodynamikuntersuchung durchgerungen, nachdem vorgegangene Ultraschalluntersuchungen unauffällig waren. Ergebnis war eine erhöhte Destrusoraktivität, die Blasenkapazität habe ich heute vergessen zu erfragen aber ich schätze es waren um die 200-250ml. Bei mir kommt der Harndrang in sich steigernden Wellen, die ersten stärkeren 1-2 Drangwellen kann ich quasi "wegdrücken" bis der Drang zu stark für meinen Sphinkter wird und Urin abgeht (zwischen 50-200ml). Habe ca. 15-20x Toilettengang/Harndrang pro Tag. Eigentliche Ursache ist noch ungeklärt, das muss ich jetzt in den nächsten Wochen herausfinden ob es neurologische Gründe gibt. Ich war kürzlich auf einer 5-wöchigen Reha, die dort durchgeführte Beckenbodentherapie und Pelvicenter hat keine Besserung gebracht.

Ich trage als Hilfsmittel Windeln mit hoher Saugstärke, nachdem ich mit Vorlagen (zu unsicher da nicht enganliegend) und Pants (zu kompliziert in der Arbeit zu wechseln) nicht klar gekommen bin. Nachts habe ich mehrere Blasenentleerungen, wobei ich nachts vom Harndrang zum Glück(?) nicht wach werde und daher trotz Inkontinenz gut schlafen kann. Würde mich glaub ich in den Wahnsinn treiben, der Schlafmangel. Tagsüber hat sich durch Vesikur der Harndrang so verbessert, dass ich mittlerweile ca. 1-2 Minuten Vorwarnzeit habe um eine Toilette zu erreichen. Im Beruf habe ich meinen Alltag so eingerichtet, dass ich zwischen Meetings phrophylaktisch meine Blase entleere und zu Hause tagsüber weitestgehend Windelfrei auskomme (außer wenn mal ein guter Film im Fernsehen kommt und ich kein Bock habe aufzustehen B) ). Ungewollten Urinabgang habe ich meistens in Situationen, in denen ich nicht schnell eine Toilette greifbar habe, z.B. in stressigen Meetings, knappen Terminplan, beim Autofahren, beim Shoppen, Sport etc. Grundsätzlich kann ich mit meiner Versorgungs- und Inkontinenzsituation halbwegs umgehen, auch wenn es manchmal natürlich sehr deprimierend ist - da muss ich euch aber nichts zu sagen.

Meine Ärztin hat mir, nachdem die Vesikurtherapie zwar eine Besserung im Bezug auf die "Vorwarnzeit", aber keine Beseitigung der Inkontinenz gebracht hat, heute nun zur Botoxtherapie geraten. Google wirft mir da neben verheissungsvollen Nachrichten auch Horrormeldungen von Harnverhalt und Selbstkatheterisierung aus. Ich muss ehrlich sagen, die beiden Kathetereinführungen für die Urodynamik hat mir persönlich gereicht und die Vorstellung, das mehrmals am Tag machen zu müssen, schreckt mich fürchterlich ab. Auch die notwendige Vollnarkose und das mehrmalige Spritzen pro Jahr ist ein starker negativer Aspekt.

Nun zu meinen Fragen:
- Können hier im Forum Betroffene, die eine Botoxtherapie durchgeführt haben, mal berichten im Hinblick auf Komplikationen?
- Seid ihr für die Botoxinjektionen an dem Tag immer krankgeschrieben?
- Wie oft müsst ihr die Therapie im Jahr durchführen?
- Seid ihr mit Botox komplett kontinent oder müsst ihr weiterhin Hilfsmittel wie Vorlagen/Windeln tragen?
- Habt ihr im Schlaf negative Veränderungen?

Mein derzeitiges Zwischenfazit lautet:
Ich bin zwischen Pest (Windeln) und Cholera (Mögliche Selbstkatherisierung wegen Komplikationen) hin- und hergerissen und tendiere derzeit eher, mein Schicksal mit aufsaugendem Hilfsmittel zu akzeptieren, zumal es mich im Alltag nicht mehr übermäßig belastet. Aber ein kontinentes Leben ist natürlich auch eine tolle Vorstellung!

Vielen Dank für die Rückmeldungen, die mir bei der Entscheidungsfindung helfen können.

Vg
Stephan

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23 Nov 2019 21:23 #2 von Matti
Hallo Stephan,

möchte deinen Beitrag gerne ein wenig pushen, weil bislang ja noch keine direkte Antwort erfolgt ist.

Es gibt ja hier im Forum zahlreiche Betroffene mit Botox Erfahrung. Hab ein wenig geduld. Alternativ kannst du dir auch mal einen Thread raussuchen, wo über dieses Thema diskutiert wurde.

Schau mal hier: www.google.de/search?q=botox+inkontinenz...EDI&biw=1280&bih=607

Häng dich mit deiner Frage einfach mal an einen aktuelleren Thread ran. Dies führt dazu, dass alle sich in diesem "alten" Thread Beteiligten eine Mail über einen neuen Beitrag erhalten.

Sollte keine Antwort erfolgen, versuche ich dir einige deiner Fragen zu beantworten. Besser wäre allerdings ein Erfahrungsaustausch unter Anwendern bzw. Betroffenen.

Gruß
Matti

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25 Nov 2019 13:12 #3 von stephanw
Danke Matti, für den Link. Ich lese mir die Beiträge mal in Ruhe durch, vielleicht hilft das ja schon bei der Entscheidung.

Wäre aber trotzdem toll wenn sich Betroffene melden könnten :-)

Viele Grüsse
Stephan

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25 Nov 2019 20:44 #4 von Elkide
Hallo Stephan,

habe gerade am Freitag zum 12. Mal Botoxspritzen gegen die Dranginkontinenz bekommen. Das bedeutet, dass ich ca. drei- bis viermal im Jahr für vier Tage stationär in die Klinik muss. Bekomme die Spritzen in der Uniklinik. Am 1. Tag ist die Aufnahme mit allen notwendigen Untersuchungen, Anästhesie- und Arztaufklärung. Am nächsten Tag ist dann der Eingriff in Vollnarkose. Hier erhält man dann einen Dauer- und Spülkatheter, die dann am folgenden Morgen gezogen werden. Danach bleibt man dann noch einen Tag in der Klinik, um zu gucken, ob man wieder ohne Restharn die Blase entleeren kann. Da ich eine Blasenlähmung habe, kann ich die Blase sowieso nur durch ISK entleeren und habe dementsprechend auch keinen Restharn.

Meistens dauert es dann ca. zwei Wochen, bis das Botox richtig wirkt. Das ist für mich immer eine wesentliche Verbesserung. Im Moment kathetere ich bis zu zwanzig Mal am Tag und nach Wirkungseintritt nur ca. sechsmal. Die Wirkungsdauer ist ungefähr vier Monate. Solange ich keine Antikörper dagegen entwickele werde ich mich immer für Botox entscheiden, da es mir wirklich viel Lebensqualität zurück gibt. Gegen die Inkontinenz habe ich zusätzlich zwei Schrittmacher und bin auch damit rundum zufrieden.

Liebe Grüße
Elke

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26 Nov 2019 07:50 - 26 Nov 2019 07:52 #5 von Sebald
Guten Morgen!

Tatsächlich kann man für die Botoxinjektion selbst zwei Kliniktage einrechnen. Beziehungsweise zweieinhalb inklusive der Vorbesprechung für die Anästhesie. Bei mir war es das letzte mal so, dass ich um 10 in der Klinik war, um 16 Uhr das Botox in Vollnarkose gespritzt wurde und ich für eine Nacht mit einem Katheter da blieb. Am nächsten Morgen Ziehen desselben, Sono und kurzes Gespräch darüber, dass ich den ISK kenne und kann. Um 11 Uhr war ich da wieder weg.

Die Wirkung des Botox tritt, wie Elke schrieb, nach etwa 2 Wochen voll ein.

Und ja: Es kann auf den ISK hinauslaufen. Meist wird der dann etwa 6x am Tag gemacht.

Aber das Einführen dieser sehr handlichen Katheter ist mit denen einer Blasenspiegelung nicht zu vergleichen. Die sind viel dünner, flexibler und mit mehr Laufruhe. Man(n) muss da echt keine Angst vor haben. Wirklich!

Beste Grüße,
Sebald

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27 Nov 2019 21:41 #6 von Maulwurf
Hallo,

Auch von mir meine persönlichen Erfahrungen:
- Können hier im Forum Betroffene, die eine Botoxtherapie durchgeführt haben, mal berichten im Hinblick auf Komplikationen?

Ich hatte häufig Nachblutungen. Normal wird dies mit Spülkatheter behandelt; ich habe es aber auch schon ohne gemacht.

- Seid ihr für die Botoxinjektionen an dem Tag immer krankgeschrieben?

Ja; man kann verschiedene Varianten wählen: Vollnarkose stationär ; lokale Betäubung ambulant , lokale Betöubung stationär und ganz wenige Kliniken machen auch Vollnarkise ambulant. Alles hat seine vor und Nachteile. Ich habe so gut wie alle Varianten durch; keine ist wirklich ideal für mich.


- Wie oft müsst ihr die Therapie im Jahr durchführen?

Es wird bei mir 6-15 Monate. Sehr unterschiedlich. Ich nehme zusätzlich aber noch Tabletten.

- Seid ihr mit Botox komplett kontinent oder müsst ihr weiterhin Hilfsmittel wie Vorlagen/Windeln tragen?

Komplett Kontinent Mit Ausnahme von Infekten und bis zum nachlassen der Wirkung

- Habt ihr im Schlaf negative Veränderungen?

Nein, positive.

Bei Fragen kann ich dir gerne weitere Details geben.
Maulwurf

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30 Nov 2019 23:26 - 30 Nov 2019 23:34 #7 von stephanw
Hallo zusammen,

erstmal herzlichen Dank für die vielen Antworten.

Ich werde noch ein paar Mal drüber schlafen, aber ich werde glaube ich bei den aufsaugenden Hilfsmitteln bleiben. Problematisch für mich sehe ich die potenziellen vielen Fehltage im Jahr (+ die nicht ganz risikolose Vollnarkose) und das schon angeführte Damoklesschwert der Selbstkatheterisierung. Der Leidensdruck ist letztlich nicht gross genug, da ich trotz der Dranginko einen guten wenn auch regelmässig "nassen" Schlaf habe und ich normalerweise, bei guter Toilettenplanung, max. 1-2 nasse Windeln am Tag habe, manchmal auch gar keine trotz ausserhäuslichen Aktivitäten. Bis auf den Harndrang selbst erzeugt die Dranginko bei mir zum Glück keine besonderen Schmerzen wie Bauchkrämpfe. Und an der Windel selbst störe ich mich nicht so sehr (und meine Frau zum Glück auch nicht), da die von mir genutzte Tena Slip Maxi trotz hoher Saugkraft trocken kaum aufträgt und man sie mit etwas Übung auf der Toilette wie eine Unterhose hoch- und runterziehen (Stuhlgang) bzw zur Seite schieben kann (urinieren). Ich muss das Produkt also nicht x-mal am Tag unnötig und zeitaufwendig wechseln, obwohl noch trocken. Das Ganze ist für mich halbwegs im Alltag handlebar und ich bin zu risikoavers für Experimente mit offenem Ausgang.

Trotzdem Danke für eure Rückmeldungen!

VG
Stephan

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02 Dez 2019 10:28 #8 von Maulwurf
Hallo Stephan,
Die Entscheidung kannst natürlich nur du treffen, das ist denke ich klar. Du solltest aber denke ich mit deinem Arzt besprechen, was ein Verzicht auf Botox für eine Auswirkung hat. Häufig wird es ja nicht nur verabreicht um die Symptome (Inkontinenz) zu lindern, sondern auch um eine weitere Verschlechterung vorzubeugen. Was hat denn die URO Dynamik ergeben bezüglich Druckwerte? Außerdem kann deine Blasenkapazität weiter schrumpfen. Beides würde ich wie gesagt mal mit deinem Arzt besprechen bevor du dich endgültig dagegen entscheidest.
Die Vollnarkose ist sehr risikoarm. Wenn du aber sorgen davorhast, kann der Eingriff auch ohne Vollnarkose durchgeführt werden. Und bezüglich der Fehltage: im Normalfall sollten es nicht mehr als zwei sein, wenn du es ohne Vollnarkose machst kann es sogar an einem rum sein. Die selbstkathetirisierung Ist nicht vergleichbar mit dem Messkatheter, komplett schmerzlos und unproblematisch.Viel Glück bei deiner Entscheidung.
Maulwurf

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02 Dez 2019 13:09 #9 von herirein
Hallo,
hier wird sehr oft der Begriff "Vollnarkose" verwendet, der bei der Botox Injektion nicht ganz richtig ist. Es ist zwar eine Narkose, bei der aber weder eine Beatmung noch eine Intubation stattfindet. Es wird lediglich eine Sauerstoffzufuhr per Maske oder nur nasal zur Unterstützung erfolgen.

Das Narkotikum ist in aller Regel "Propofol", was sich über einen venösen Zugang, sehr gut dosieren lässt. Das Mittel findet sehr oft Verwendung, so z.B. bei der Magen- oder Darmspiegelung, bei der Uterus Ausschabung, bei der Schlitzung von Harnröhrenverengungen usw. Selbst bei der Entfernung von Oberflächentumoren in der Blase, wird auf die Vollnarkose verzichtet, weil sie Herz-, Kreislauf zu sehr belastet.

Nach etwa 2 Stunden ist man wieder fit, allerdings nicht fit genug um am Straßenverkehr teil zu nehmen. Dass in den Kliniken mit der Botox-Injektion eine Übernachtung verbunden wird, liegt am Wirkstoff Botox!

LG Heribert

Menschen sind wie Engel mit nur einem Flügel,
um fliegen zu können müssen wir uns umarmen
(Luciano de Crescenzo)

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02 Dez 2019 13:20 #10 von Maulwurf
Hallo,
Da hast du völlig recht Heribert.

Eine Anmerkung: glaub das mit der Übernachtung weniger am Wirkstoff selbst, als vielmehr an der Gefahr einer nachblutung sowie an Kostengründen. Lohnt es sich nicht mit nur einer oder gar keiner Übernachtung.
Viele Arztpraxen führen die Injektion inzwischen ja aber auch ambulant durch.
Viele Grüße
Maulwurf

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