Hallo Sarah,
schlimm, wenn ich lese, wie es Deinem Sohn bis jetzt ergangen ist und ich kann seinen Wunsch, "normal" zu sein, so gut verstehen.
Einige Dinge erinnern mich an meine Situation als Kind und Jugendliche. Ich war nachts nicht kontinent, als einziges von 4 Kindern. Meine Mutter hat dann mit mir einen wahren Ärztemarathon begonnen, um der Ursache auf den Grund zu gehen. Nach Ausschluss aller möglichen körperlichen Ursachen musste ich zum Psychiater, der allerdings auch keinen Grund finden konnte. Dann war ich lange Zeit im Uniklinikum in Aachen in Behandlung. Dort wurde eine Doppelnierenanlage links mit Ureterfissur festgestellt und ich wurde zum Schauobjekt vieler neugieriger Studenten. Ich hatte viele schreckliche Situationen, so als ca. 10- bis 12-jährige auf diesem Stuhl liegend und alle gucken Dir zu. Ich musste Medikamente nehmen, die damals noch gar nicht in der Apotheke zu haben waren. Bei einem waren es 10 Tropfen am Abend, bei 11 Tropfen wäre ich gestorben. Meine arme Mutter stand jeden Abend mit zitternden Händen da und hat die Tropfen abgemessen. Ich habe es überlebt, meine Inkontinenz leider auch. Als ich in die Pubertät kam, so mit ca. 14 Jahren, hörte das nächtliche Einnässen dann ganz von selbst auf. Das bedeutete aber nicht, das ich jetzt durchschlief, nein, ich wachte jetzt auf, wenn sich meine Blase meldete. Bis heute schlafe ich keine Nacht durch.
Ich habe das Thema dann viele Jahre ignoriert und mich arrangiert. Dazu habe ich in meinen Beiträgen schon etwas geschrieben. Nun bin ich seit 2007 in ständiger urologischer Behandlung und habe seitdem Botoxinjektionen. Pam hat schon recht, dass ich darüber einiges sagen kann. Aber meine Erfahrungen betreffen ausschließlich den erwachsenen Patienten. Trotzdem will ich Dir dazu etwas schreiben, vielleicht kannst Du das ja für das ein oder andere Ärztegespräch nutzen.
Botoxversager wird man erst mit der Zeit. Mancher Körper entwickelt mit zunehmender Gabe von Botox Antikörper, also nicht gleich beim ersten Mal. Es ist aber gut möglich, dass die Wirkung des Botox mindestens 2 bis 4 Wochen auf sich warten lässt. Manche haben Glück, und es wirkt direkt nach der Gabe. Beim ersten Mal war das bei mir auch so, mittlerweile muss ich auch auf die Wirkung warten. Das Botox gar nicht wirkt, gibt es nicht. Bleibt also in diesem Punkt erst einmal geduldig. Es gibt auch verschiedene Botox-Medikamente, da ist aber der eine wichtige Unterschied eigentlich nur der, dass das eine eiweißfrei ist. Welches Botox bekam Dein Sohn denn?
Zu den Medikamenten wäre es für mich wichtig, zu wissen, welches Medikament Dein Sohn zur Zeit einnimmt und welche evtl. vorher schon erfolglos ausprobiert wurden. Ich habe da mit den Jahren auch schon einiges eingenommen und entweder Toleranzen entwickelt (Oxybutinin) oder nicht tolerierbare Nebenwirkungen gehabt (Emselex). Das neue Medikament Betmiga hat bei mir gar keine Nebenwirkungen gezeigt, aber leider auch keine Wirkung. Dann ist es von Vorteil, ein retardiertes Medikament einzunehmen, dessen Wirkung sich über 24 Stunden gleichmäßig verteilt und immer bei der gleichen Einnahmezeit zu bleiben. Solche Kleinigkeiten machen schon viel aus.
Wenn ich es richtig interpretiere, hat Dein Sohn auch eine Restharnproblematik. Einige Urologen neigen dazu, zu empfehlen, die Blase abzudrücken. Aber eine überaktive Blase hat schon so viel Druck, dass das gar kein guter Ratschlag ist. Er sollte auch beim Wasserlassen nicht aus dem Bauch heraus drücken, weil das ebenso die Druckverhältnisse in seiner kranken Blase steigert. Man neigt dazu, das zu tun, um wirklich alles herauszuquetschen, um ein bisschen Zeit nach hinten zu bekommen. Das klappt leider gar nicht.
Ganz wichtig finde ich es für euch, wenn ihr euch in einem Krankenhaus mit einer Neurourologischen Abteilung vorstellen würdet, (wenn denn noch nicht geschehen). Die Neurourologen haben doch bedeutend mehr Möglichkeiten als ein "nur" Urologe oder urologische Station eines Krankenhauses. Ich habe das auch gemacht, und so konnten wir immerhin gemeinsam erarbeiten, dass der Grund für meine neurogene Blase nicht herauszufindern ist. Ich habe seit letztem Jahr 2 Blasenschrittmacher. Die sorgen zwar nicht für mehr Zeit, aber meine Blase wird völlig restharnfrei leer. Das ist für die Gesundheit der Nieren enorm wichtig. Außerdem bilden sich durch Restharn immer wieder Entzündungen, ich hatte mindestens jede Woche eine. Das ist jetzt alles in Ordnung. Damit ist nicht gesagt, dass das für euch eine Option sein soll, aber eine Neurourologie sollte es sein! Neurourologien gibt es nicht sehr viele in Deutschland und leider kenne ich euren Wohnort nicht. Aber selbst der weiteste Weg lohnt sich. Die Krankenkassen müssen bei einer entsprechenden Überweisung des Facharztes die Fahrtkosten zum nächstgelegenen Krankenhaus mit dieser Fachrichtung übernehmen. Ich muss auch jedesmal fast 80 km dorthin fahren, Erstattung ist kein Problem.
Berichte weiter und wenn ich dazu noch etwas sagen kann, das Dir weiterhilft, werde ich das gerne tun.
Lieben Gruß, Anna