Liebe Betroffene, Mitstreiter und Forenmitglieder,
im Herbst des vergangenen Jahres wurde die Inkontinenz Selbsthilfe e.V. vom GKV-Spitzenverband zur Stellungnahme bei der Fortschreibung des Hilfsmittelverzeichnisses der Produktgruppe 15 (aufsaugende und ableitende Hilfsmittel) aufgefordert.
Mit großem Aufwand nahmen sich unsere Vorstandsmitglieder
Monika Grewe-Laufer und
Matthias Zeisberger dieser wichtigen Aufgabe an. Dabei stand als Ziel für uns stets die Verbesserung der Lebens- und Versorgungssituation von Millionen Betroffenen im Vordergrund.
Dieser Tage erhielten wir die Rückmeldung, dass
fast alle durch uns eingereichten Änderungsvorschläge am Hilfsmittelverzeichnis angenommen wurden. Wir halten dies für einen großen Erfolg, gerade weil darunter Formulierungen und Vorgaben fallen, die sich in der Praxis oftmals als Stolpersteine im Beratungs- und Versorgungsprozess darstellten und Leistungserbringern einen gewissen Spielraum in der Interpretation der Vorgaben ließen.
- So haben wir beispielsweise erreicht, dass im
Beratungsprozess der Hilfsmittelversorgung die Aufnahmekapazität nach der Rothwellmethode (ISO 11948-1) nun keine Beachtung mehr finden darf. Damit fällt das oft vorhandene Argument, die Vorlage oder Windelhose hätte ja eine Aufnahmekapazität von x-Litern weg und deshalb könne die Abgabemenge an Hilfsmitteln deutlich niedriger ausfallen. Der Wegfall dieser Argumentationsaussagen von Seiten der Leistungserbringer führt zu deutlich realistischeren maximalen Aufnahmekapazitäten. Unterversorgungen werden dadurch reduziert.
- Wir haben in unserer Stellungnahme auf die UN-Behindertenrechtskonvention hingewiesen, bei der auch und vor allem die Teilhabe ein entscheidender Faktor ist. Unserem Änderungsvorschlag wurde stattgegeben.
Die alte Formulierung bezüglich der Leistungspflicht des GKV lautete:
Die Verordnung von Inkontinenzhilfen zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung kommt dann in Betracht, wenn eine mindestens mittlere Urin- und/oder Stuhlinkontinenz vorliegt und der Einsatz der Inkontinenzhilfen
- medizinisch indiziert und
- im Einzelfall erforderlich ist und - den Versicherten in die Lage versetzt, Grundbedürfnisse des täglichen Lebens zu befriedigen
Die neue Formulierung lautet:
Die Verordnung von Inkontinenzhilfen zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung kommt dann in Be-tracht, wenn der Einsatz der Inkontinenzhilfen
- medizinisch indiziert und
- im Einzelfall erforderlich ist und
- den Versicherten in die Lage versetzt, Grundbedürfnisse des täglichen Lebens zu befriedigen
und Teilhabe zu erreichen.
Dieser kleine Zusatz bezüglich der Teilhabe ist ein Meilenstein. Wir sind davon überzeugt, dass gerade in gerichtlichen Auseinandersetzungen dies ein ganz entscheidender Vorteil zur Durchsetzung der Ansprüche von Betroffenen sein wird, hoffen allerdings das bereits die Aufnahme des Begriffs „Teilhabe“ positive Auswirkungen auf den Versorgungsprozess und die Hilfsmittelversorgung hat.
Teilhabe durch adäquate Hilfsmittelversorgung ist nun ein Rechtsanspruch!
- Auch bei der immer wieder vorhandene Mengenbegrenzung bei der Abgabe von Hilfsmittel konnten wir eine Teilerfolg erzielen. Die durch unseren Änderungsvorschlag erfolgte Anpassung des Hilfsmittelverzeichnisses erlaubt nun keine Mengenbegrenzung mehr.
Die neue Formulierung lautet:
Insbesondere im Bereich der aufsaugenden Inkontinenzversorgung ist die Stückzahl der benötigten Inkontinenzprodukte nicht allein auf Basis der individuellen Ausscheidungsmenge und des technisch maximal möglichen Aufsaugvermögens der zu errechnen.
- Bei der Belieferung mit Hilfsmittel ist der GKV-Spitzenverband sogar über unsere Forderung zum Versandt neutraler Verpackung hinausgegangen. Wir forderten zumindest das jederzeitige Wahlrecht, ob eine Versorgung in neutraler Verpackung versandt wird. Der GKV-Spitzenverband macht einen neutralen Versandt nun verpflichtend.
- Bei Produkten zum intermittierenden Selbstkatheterismus haben wird gefordert, dass Formulierungen zur Produkteigenschaft nicht mehr als „soll“ Vorgaben, sondern als verpflichtende
„muss“ Vorgaben formuliert werden (beispielsweise das Verhinderung der Anhaftung an Schleimhäuten). Unserer Forderung wurde an mehreren Stellen des Hilfsmittelverzeichnisses gefolgt. Damit ist ausgeschlossen, dass zumindest einige Leistungserbringer die Abgabe von Hilfsmitteln ermöglicht wird, die eben die Anforderung nicht erfüllen. „Soll“ ist keine Verbindlichkeit, es „Muss“ hingegen schon!
Insgesamt betrachten wir unsere Stellungnahme und die dadurch durchgeführten Änderungen und Anpassungen am Hilfsmittelverzeichnis als Erfolg.
Den kompletten Bericht über die Fortschreibung der Produktgruppe 15, inklusive unserer vollständigen Stellungnahme, findet ihr ebenso wie den Bericht zu unseren Änderungsvorschlägen als PDF hier im Anhang.
Herzliche Grüße
Der Vorstand der Inkontinenz Selbsthilfe e.V.
Übersicht der Anpassungen und Änderungen aufgrund unserer Stellungnahme:
Gesamtübersicht, inklusive aller Stellungnahmen (ab Seite 11 unsere Stellungnahme):
www.google.de/url?sa=t&rct=j&q=&esrc=s&s...z_xHskt7kY2-hlRihN83