Hallo,
ich habe mir heute einmal ein Schriftstück etwas genauer angesehen. Es handelt sich dabei um ein gemeinsames Rundschreiben der Spitzenverbände der Krankenkassen vom 18. Dezember 2007, dass aber heute noch gültig ist.
Darin sind unglaubliche und menschenverachtende Dinge zu finden, die zugleich mit aktueller Rechtssprechung belegt werden.
Ich habe nur einen kleinen Abschnitt herausgesucht, der die ganze Schizophrenie und den eigenen Widerspruch des Handelns und der Gesetz- und Rechtssprechung aufzeigt, ausgesucht.
Einige Stellen werden ich kommentieren.
Zum Grundbedürfnis gehbehinderter Menschen auf Erschließung bzw. Sicherung eines gewissen körperlichen Freiraums zählt laut ständiger höchstrichterlicher Rechtsprechung indessen nicht das Zurücklegen längerer Wegstrecken vergleichbar einem Radfahrer, Jogger oder Wanderer.
Die höchstrichterliche Rechtsprechung legt also das Grundbedürfnis eines behinderten Menschen fest. Der Behinderte ist dabei also nicht als Individum zu sehen, sonder pauschal als der gehbehinderte Mensch.
Das allgemeine Grundbedürfnis, selbstständig zu gehen, kann nämlich nicht dahin verstanden werden, dass die Krankenkasse einen behinderten Menschen durch die Bereitstellung von Hilfsmitteln in die Lage versetzen muss, Wegstrecken jeder Art und Länge zurückzulegen, die ein nicht behinderter Mensch bei normalem Gehen zu Fuß bewältigen kann.
Im ersten Zitat wird das Grundbedürfnis ausgeschlossen, im jetztigen Ansatz steht man aber ein allgemeines Grundbedürfnis zu, welches allerdings gleich wieder abgesprochen wird. Der aufmerksame Leser wird den Widerspruch zwischen dem ersten und zweiten Zitat erkennen.
Auch hier ist zu berücksichtigen, dass die Gesetzliche Krankenversicherung bei dem Verlust der Gehfähigkeit nur für einen Basisausgleich zu sorgen hat. Zu den insoweit maßgeblichen vitalen Lebensbedürfnissen im Bereich des Gehens gehört jedoch nur die Fähigkeit, sich in der eigenen Wohnung zu bewegen und die Wohnung zu verlassen, um bei einem kurzen Spaziergang „an die frische Luft“ zu kommen oder um die üblicherweise im Nahbereich der Wohnung liegenden – Stellen zu erreichen, an denen Alltagsverrichtungen zu erledigen sind. Evtl. Besonderheiten der Wohnlage können für die Hilfsmitteleigenschaft gleichfalls nicht maßgeblich sein. Das Laufen bzw. Rennen zählt nur bei Kindern und Jugendlichen, nicht aber bei Erwachsenen zu den Vitalfunktionen.
Dieser Abschnitt (Fett markiert) ist an Menschenverachtung nicht zu übertreffen. Behinderte Menschen haben ausschließich den Anspruch bei einem kurzen Spaziergang "an die frische Luft zu kommen". Mir fehlen wirklich die Worte.
Ab diesem Punkt beurteilt die Rechtssprechung die Situation auf einmal (zum Glück) völlig anders, was die ungeheuerlichen Aussagen zu erwachsenen Behinderten noch einmal extrem deutlich macht.
Die Zuordnung bestimmter Betätigungen zu den Grundbedürfnissen hängt nämlich auch vom Lebensalter des Betroffenen ab.
Richtig, nur trifft dies auch auf einen 20, 30 oder 40 jährigen zu.
In der Entwicklungsphase von Kindern und Jugendlichen, zumindest bis zur Vollendung des 15. Lebensjahres, lassen sich die Lebensbereiche nicht in der Weise trennen wie bei Erwachsenen, nämlich in die Bereiche Beruf, Gesellschaft und Freizeit.
Das BSG hat deshalb stets nicht nur die Teilnahme am allgemeinen Schulunterricht als Grundbedürfnis von Kindern und Jugendlichen angesehen, sondern ein Grundbedürfnis in der Teilnahme an der sonstigen üblichen
Lebensgestaltung Gleichaltriger als Bestandteil des sozialen Lernprozesses.
Täusche ich mich, oder verlangt der Gesetzgeber nicht eine allgemeine
Schulflicht.
Der durch die Hilfsmittelversorgung anzustrebende Behinderungsausgleich sei auf eine möglichst weitgehende Eingliederung des behinderten Kindes bzw. Jugendlichen in den Kreis Gleichaltriger aus gerichtet
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Richtig. Der Erwachsene hat ja immerhin noch "seine frische Luft". Wahrschenlich wird aber auch in diesem Punkt bald nur noch die Grundversorgung gestattet, in dem Luft in Tüten als ausreichend betrachtet wird. Die kann man dann auch im Rahmen der Basisversorgung in der eigenen Bude genießen.
Der durch die Hilfsmittelversorgung anzustrebende Behinderungsausgleich ist also auf eine möglichst weit gehende Eingliederung des behinderten Kindes bzw. Jugendlichen in den Kreis Gleichaltriger ausgerichtet. Er setzt nicht voraus, dass das begehrte Hilfsmittel nachweislich unverzichtbar ist, eine Isolation des Kindes zu verhindern. Denn der Integrationsprozess ist ein multifaktorielles Geschehen, bei dem die einzelnen Faktoren nicht isoliert betrachtet und bewertet werden können. Es reicht deshalb aus, wenn durch das begehrte Hilfsmittel die gleichberechtigte Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft wesentlich gefördert wird (BSG SozR 3 2500 § 33 Nr. 46)
Ja, sie haben es verstanden!?. Genau darum geht es. Integration und Teilhabe. Erwachsene haben allerdings bereits mit ihrer Tüte Luft genügend Integration und Freude.