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Persönliches Budget

17 Mai 2011 02:24 #1 von Matti
Hallo und hurra,

es gibt ein Thema wo ich selbst einmal einige Fragen an euch habe. In fast allen Publikationen wird von den "rechtlichen Voraussetzungen" für die Gewähung des persönlichen Budgets bei Behinderung geschrieben. So gut wie nirgends werden diese aber erläutert. Ganz ehrlich, ich habe bis zum heutigen Tag nicht kapiert wann ein behinderter Mensch den Anspruch hat. So wie ich es verstanden habe, besteht doch nur ein Anspruch auf ein persönliches Budget, wenn eh schon Leistungen beispielsweise des Sozialhilfeträgers bestehen. Eine Ersatzleistung in bar, zur selbstbestimmten Verfügung. Oder verstehe ich etwas völlig falsch??? Wer keine Ansprüche an Rehabilitationsträger (Leistungsträger) hat, hat auch kein Anspruch auf Leistungen. Oder verstehe ich dies auch völlig falsch???

Mit der Hoffnung auf Aufklärung.

Matti

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17 Mai 2011 13:06 #2 von Jens Schriever ✝
Hallo Matti

So viel ich weiß, kann jeder Behinderte, wahlweise einen Antrag auf das Persönliche Budget oder die Pflegestufe beantragen. Bei den Persönlichen Budget, bist du nicht wie bei der Pflegestufe ein Hilfeempfänger, sondern ein Arbeitgeber. Du bekommst statt Sachleistungen das Geld. Musst aber auch alles selber bezahlen, ob es das Pflegebett ist oder der Umbau des Bades und auch deine Pflegepersonen. Das Geld, was du bekommst ist zweckgebunden, und muss über Rechnungen belegt werden. Meiner Meinung, kann es eine Alternative zum Pflegegeld sein, aber das Risiko ist zu groß. So viel ich weiß, ist das Persönliche Budget dem Pflegegeld angepasst.


Gruß Jens

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17 Mai 2011 14:52 #3 von Matti
Ich danke Dir Jens, aber so ganz kann ich deine Erläuterungen nicht nachvollziehen. Nicht jeder Behinderte ist pflegebedürftig und somit gar nicht berechtigt für Leistungen aus der Pflegeversicherung. Das ein persönliches Budget als Alternative zum Pflegegeld gezahlt würde, macht keinen sinn. Das persönliche Budget soll die Teilhabe sicherstellen, die Leistungen der Pflegekasse die Pflegebedürftigkeit absichern.
Auch deine Anmerkung bezüglich des Verzichtes auf Kostenübernahme von Hilfsmittel oder wohnraumverbessernden Massnahmen kann so nicht stimmen. Jeder Pflegebedürftige wäre ja völlig bescheuert, wenn er ein persönliche Budget in Höhe des Pflegegeldes wählen(was ihm ja in gleicher Höhe eh zur Verfügung steht) würde und dann auf gesetzliche Ansprüche bei der Kostenübernahme von Hilfsmitteln oder Wohnungsanpassungen verzichten würde.

Ich Stelle also fest, auch für dich wäre die von mir gewünschte Information sicherlich wertvoll.

Matti

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17 Mai 2011 18:03 #4 von Jens Schriever ✝
Hallo Matti

Ich bin von Pflegebedürftigkeit ausgegangen. Bei der Pflegestufe wird der Pflegedienst von der Pflegeversicherung direkt bezahlt, oder du bekommst ein geringes Pflegegeld wenn du es privat machen lässt. Bei dem Persönlichen Budget bekommst du das volle Pflegegeld und muss dein Pfleger oder Assistent selber bezahlen also ist der bei dir angestellt. So hast du als Arbeitgeber die freie Wahl, wer was macht, z.b. Hilfen im Haushalt Person a, Person b Pflege, Person c Fahrdienste und Behördengänge. So habe ich es verstanden. Aber du hast Recht, auch für mich sind die von dir gewünschten Informationen sehr wertvoll.


Gruß Jens

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17 Mai 2011 19:03 #5 von Matti
Gut Jens, dann würden wir aber nicht von einer Geldleistung in Höhe des Pflegegeldes sondern in Höhe der Sachleistung reden, oder? Also beispielsweise bei Pflegestufe 3 über 1550 € als persönliches Budget und nicht über 675 € wie sie als Pflegegeld ja jetzt schon gezahlt wird, wenn man auf Sachleistungen (profesionelle Pflege) verzichtet.

Haben wir den hier niemanden der ein persönliches Budget erhält?

Matti

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17 Mai 2011 19:05 #6 von Jens Schriever ✝
Ja Matti so ist es gemeint

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27 Sep 2013 09:41 #7 von Chris80
Meine Frau erhält ein Persönliches Budget. Daher kann ich Euch ein bissel was darüber erzählen.

Zunächst einmal ist das Persönliche Budget keine neue Leistung, sondern vielmehr eine andere Form der Leistungserbringung. Sinn und Zweck des Persönlichen Budgets ist es, Menschen mit einer Behinderung in die Lage zu versetzen Ihre bedarfsgerechte Leistung selber einzukaufen, da diese eben Experten in eigener Sache sind. Einen Anspruch auf ein persönliches Budget haben Behinderte oder von Behinderung bedrohte Menschen. Auf Pflegebedürftigkeit kommt es daher nicht an.

Menschen sind behindert, wenn die körperliche Funktion, geistige Fähigkkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für das Lebensjahr typischen Zustand abweichen und daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist. Um diese Beeinträchtigung zu beseitigen bzw. abzudämpfen, hat der Gesetzgeber 4 Leistungsgruppen zur Teilhabe am Leben in der Gesellschaft entwickelt. Dies sind Leistungen zur medizinischen Rehabilitation, Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben, unterhaltssichernde und andere ergänzende Leistungen, Leistungen zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft.

Diese Leistungen können nach § 17 Abs. 2 SGB 9 auf Antrag auch durch ein persönliches Budget erbracht werden.

Hierzu mal ein praktisches Beispiel: Meine Frau ist schwerbehindert und hat die Pflegestufe 3. Als vor 3 Jahren die Entlassung aus der Reha anstand, wurde ich vor die Entscheidung gestellt entweder meine Frau zu Hause zu versorgen oder in eine Pflegeeinrichtung zu geben. Ein Pflegeheim kam für mich absolut nicht in Frage. Nun hatten wir jedoch das Problem, dass ich noch mitten im Studium war und gerade meine Abschlussarbeit geschrieben habe. Ich konnte daher also meine Frau tagsüber nicht versorgen. Da meine Frau in die Pflegestufe 3 eingestuft worden ist, war die Pflege durch einen ambulanten Pflegedienst tagsüber zumindestens schon mal abgedeckt. Doch der Pflegedienst kommt lediglich mehrmals täglich und macht die Pflege. Doch damit ist es noch lange nicht getan, da meine Frau auch einen umfassenden Hilfebedarf in allen anderen Dingen des täglichen Lebens hat. Also haben wir ein persönliches Budget zur Förderung der Teilhabe am gemeinschaftlichen und kulturellen Leben beim zuständigen Sozialamt beantragt. Es kamen dann zwei Mitarbeiter vom Sozialamt zu uns nach Hause und haben mit uns den Hilfebedarf besprochen. Das Persönliche Budget sollte im Arbeitgebermodell erbracht werden, d.h. wir stellen Arbeitskräfte ein, welche meine Frau tagsüber betreuen. Es kam dann irgendwann der Bescheid vom Amt. Wir haben dann zwei Assistentinnen eingestellt, die meine Frau von Montags bis Freitags in der Zeit von 7:30 bis 18:00 betreuen. Die Pflege wurde weiterhin vom Pflegedienst erbracht. Wichtig ist zu erwähnen, dass im sogenannten Arbeitgebermodell die Verantwortung und Organisation beim Budgetnehmer liegt. Also all die Verpflichtungen, die jeden Arbeitgeber betreffen.

Im obigen Beispiel handelt es sich um ein "einfaches" Persönliches Budget. Nun gibts jedoch noch das viel interssantere trägerübergreifende Budget. Bei dieser Budgetform sind mehrere Leistungsträger beteiligt. Dies können sein: Sozialamt, Krankenkassen, Pflegeversicherung, Unfallversicherung, Rentenversicherung, Arbeitsagentur. Die dann budgetfähigen Leistungen sind vielfältig und können hier nicht alle genannt werden. Unter anderem sind folgende Leistungen Budgetfähig: Leistungen zur Teilhabe am gemeinschaftlichen und kulturellen Leben, Häusliche Krankenpflege, Pflegegeld, zum verbrauch bestimmte Hilfsmittel Haushaltshilfe,Fahrkosten, Arbeitsassistenz etc.

Persönliche Budgets sollen in der Regel als Geldleistungen erbracht werden und nur in begründeten Ausnahmen als Gutscheine. Nun ist es so, dass für die Pflege grundsätzlich nur das Pflegegeld budgetfähig ist und nicht die Pflegesachleistung. Das heisst bei Pflegestufe 3 sind nur 700 Euro budgetfähig und nicht 1550 Euro. Dies macht das Persönliche Budget hinsichtliche der Pflegeleistungen schon wieder unatraktiv. Über Sinn dieser Regelung kann man freilich streiten. Ich habe jedoch von einigen persönlichen Budgets gehört, wo dennoch die Pflegekasse die vollen 1550 Euro budgetiert. Dies dürften aber eher Einzelfallentscheidungen sein.

Hierzu jetzt auch nochmal ein persönliches Beispiel. Meine Frau und ich ziehen in Oktober in eine andere Stadt und müssen daher auch wieder neue Arbeitskräfte einstellen. Wir haben uns aber diesmal für ein trägerübergreifendes Budget entschieden. Bisher wurde die Pflege von einem ambulanten Pflegedienst erbracht. Das Problem mit den Pflegediensten ist nunmal, dass immer unterschiedliche Pflegekräfte kommen und die Uhrzeiten fest sind. Beispielsweise kommt der Pflegedienst um 11 Uhr um einen Toilettengang durchzuführen. Blöd nur wenn man vorher schon auf die Toilette müsste. Man ist dann leider auch in der Tagesgestaltung sehr eingeschränkt, da man immer auf die Uhr schauen muss wann der Pflegedienst das nächste mal kommt. Wir haben daher eine Trägerübergreifendes Budget beantragt mit Sozialamt, Krankenkasse und Pflegekasse als beteiligte Leistungsträger. Es sollen dann zwei Arbeitskräfte eingestellt werden, welche meine Frau tagsüber sowohl betreuen als auch pflegen. So werden wir unabhäniger und können den Tag so gestalten wie wir es wollen und nicht wie es in den Ablauf des Pflegedienstes passt. Bisher ist der Antrag aber noch nicht durch.

Fazit. Das Persönliche Budget kann eine Bereicherung sein, welche ein selbstbestimmteres Leben ermöglicht. Problematisch ist jedoch, dass diese Leistungsform bei vielen Leistungsträger eher nicht bekannt ist. Auch sehen die Ämter das Persönliche Budget häufig als ein Instrument an um die Kosten zu drücken. Das ist natürlich völlig falsch, macht aber das Verfahren sehr schwierig und endet meist vor Gericht. Man brauch also einen langen Atem. Wir sind aber trotz aller Schwierigkeiten mit dem Persönlichen Budget sehr zufrieden gewesen.

Hier noch ein Link zu einer sehr informativen Seite www.forsea.de/

Liebe Grüße
Christian
Folgende Benutzer bedankten sich: Matti, eckhard11 ✝, Struppi, Ano

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27 Sep 2013 12:13 #8 von Jens Schriever ✝
Hallo Christian

Danke für deinen aufschlussreichen Bericht zum persönlichen Budget. Nach deinen Schilderungen, ist das Budget sehr interessant, wenn man sich damit auskennt.


Gruß Jens

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27 Sep 2013 12:35 #9 von Struppi
Hallo Christian,

auch von mir ein großes Dank und ein riesige Lob für diesen tollen Beitrag!

Das persönliche Budget ist schwer zu durchschauen; in der Antragstellung als auch in der Durchsetzung. Oftmals wird die Ablehung als gegeben hingenommen. Um so wichtiger sind Beiträge wie Deiner, der dieses verwirrende System transparenter und nachvollziehbarer macht.

Gruß

Hannes

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27 Sep 2013 13:25 #10 von Chris80
Leider ist das Persönliche Budget bei vielen Behörden nur unzureichend bekannt. Eigentlich soll es so laufen, dass man als potentieller Budgetnehmer einfach einen Antrag auf ein Persönliches Budget bei einem zuständigen Leistungsträger seiner Wahl stellt. Erhält man beispielsweise Pflegesachleistung von der Pflegekasse, welche noch von einem ambulanten Pflegediesnt erbracht wird als auch Eingliederungshilfen vom Sozialamt, so kann sich der Budgetnehmer aussuchen an wen er den Antrag stellt. Stellt der Budgetnehmer den Antrag bei der Pflegekasse, so ist dieser Beauftragter im weiteren Verfahren und soll dann Stellungnahmen bei den anderen Leistungsträgern, also in diesem Fall dem Sozialamt, über deren budgetfähige Leistungen einholen. Theoretisch soll dann eine Budgetkonferenz stattfinden, an der sowohl die Leistungsträger als auch der Budgetnehmer sowe eine Vertrauensperson des Budgetnehmers teilnehmen. Dort soll dann über die Ziele und Umfang des Persönlichen Budgets "verhandelt" werden. In der Praxis werden solche Budgetkonferenzen leider nicht immer durchgeführt, was es dann umso schwieriger macht alle Beteiligten auf einen gemeinsamen Nenner zu bringen.

Also letztendlich brauch man einfach nur einen Antrag bei einem zuständigen Träger stellen, wobei aus diesem lediglich hervorgehen muss, dass man die bisherigen Leistungen in Form eines Persönlichen Budgets erhalten möchte und welche anderen Leistungsträger noch in Betracht kämen. Das dann sich anschließende Verfahren sollte dann vom Beauftragten fortgeführt werden.

Deutschlandweit gibt es auch ganz tolle regionale Beratungstellen, welche einem kostenlos bei der Beantragung und Unterstützung im Verwaltungsverfahren helfen.

Liebe Grüße
Christian

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