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Viele Fragen zu Urinbeutel, Systemen und Eignung

25 Nov 2017 12:25 #1 von LillyNds
Hallo,
ich bin nicht nur neu im Forum, sondern auch im Thema rund um die Inkontinenz.
Verzeiht mir daher, wenn ich etwas ausschweifender erzähle.
Es geht um meinen Schwiegervater.

Er ist 88 Jahre alt, allerdings noch sehr rüstig und selbstständig.
So hat er noch seinen eigenen Haushalt und bekam bisher lediglich Unterstützung durch eine Haushaltshilfe, die einmal wöchentlich vom ambulanten Pflegedienst kam.
Einkaufen erledigt mein Mann mit ihm im Auto und auch die Medikamente braucht mein Mann nur in die Blister einfüllen, was Schwiegervater selbst täte, hätte sein Sehvermögen nicht soweit nachgelassen, dass er einfach zu viel Respekt hat, die Beschriftungen nicht richtig zu erkennen und etwas zu verwechseln.

Mein Schwiegervater leidet seit Jahren an Inkontinenz und bekam bisher ein Medikament gegen die scheinbar verursachende Prostatavergrößerung.
Dennoch hatte er manchmal mehrfach im Jahr, immer wieder auch heftige Blasenentzündungen. Wie nun auch wieder.
Diesmal war das aber nicht mit Antibiotika in Griff zu kriegen und wir beschlossen, dass er in einer Klinik mit Urologie besser aufgehoben ist, denn er krümmte sich nach über einer Woche Antibiotika vor Schmerzen und schied über den Urin Blut aus.
Also übergingen wir die Hausärztin, die lediglich sinnierte, das Antibiotika zu wechseln und brachten ihn in die Klinik, wo man zum ersten Mal Diagnosen stellte, die auch die Ursachen der Problematik erklären.

Durch die Postatavergrößerung verbleibt immer zu viel Restharn in der Blase und der Druck der Prostata verhindert nicht nur die völlige Entleerung, sondern auch die Kontrolle über die Blase.
Immer wieder auftretende Entzündungen wären daher auch vorprogrammiert, sagte man uns und dass Schwiegervater nun dauerhaft einen Blasenkatheter benötige.
Einen Ballonkatheter, der regelmäßig gewechselt werden soll.
Er selbst findet sich nur schwer damit ab, empfindet es als sehr unangenehm, hat aber auch eingesehen, dass die eventuell mögliche OP, bei der die Prostata, über die Harnröhre, abgeschabt werden kann, derzeit noch nicht in Frage kommt, weil die aktuellen Probleme auch die Nieren in Mitleidenschaft zogen und diese sich erst einmal erholen müssen, bevor man nur in Betracht ziehen kann, in seinem Alter noch eine OP zu machen.

Er wurde nun mit einem Beinbeutel entlassen, um mobiler zu sein und schon geht es los.
So schimpft er vor sich hin, dass die Gummibänder den Beutel zwar am Bein halten, alles aber immer wieder verrutscht und er befürchtet, zu Hause damit nicht mehr trainieren zu können.
Schwiegervater hat sich vor einiger Zeit ein Sitzfahrrad gekauft, um eben zusätzliche Bewegung zu haben.
Nun meint er, solange der Beinbeutel nicht einigermaßen an vorgesehener Stelle bleibt, kann er nicht mehr auf sein Fahrrad.
Außerdem fängt er inzwischen an, zusätzlich Bänder am Bein zu verknoten, damit der Beutel weniger verrutscht. Und wir haben Angst, dass er sich damit irgendwann das Bein abschnürt.

Auf der Suche nach Alternativen, stießen wir auf Angebote zu Bauch-/Hüftbeutel.
Solche würde Schwiegervater gern haben, nur, wir haben da ein wenig Bedenken, ob diese nicht nur zu einem gewissen Teil die Blase entleeren, weil der Beutel ja in Blasenhöhe hängt und dann eventuell weiter Restharn zurück bleibt.
Zudem haben wir bisher nur Bauch-/Hüftbeutel gesehen, die es mit integriertem Gürtel gibt, was sie entsprechend teurer macht.
Die KK übernimmt dafür keine Kosten, so dass Schwiegervater sie selbst kaufen müsste.
Die Frage ist nun auch, ob es Gürtel und dazu passende Beutel auch separat zu kaufen gibt und ob diese Beutel dauerhaft überhaupt sinnvoll wären?

Eine weitere Alternative könnte vielleicht eine Einbeinhose sein?
Weiterhin ist die Frage, welches Befestigungssystem man verwenden kann, um nachts den Beutel ans Bett zu hängen.
Ist das abhängig von der Marke der Beutel oder passen die Halterungen standardmäßig?

Entschuldigt die vielen, vielleicht noch sehr naiv klingenden Fragen, aber, wie gesagt, für uns ist das alles auch neu und im KH zeigte man lediglich die Entleerung des Beutels.
Parallel haben wir nun auch noch den Kampf mit der Kranken-/Pflegekasse vor uns, die vor 2 Jahren schon einen Presse reifen Akt hinlegte, um meinem Schwiegervater sogar die damalige Pflegestufe 1 zu verweigern, die aber benötigt wurde, um zumindest die Haushaltshilfe finanzieren zu können.
Jetzt müssen wir erneut Anträge stellen, um den Pflegegrad 3 zu bekommen, denn der Pflegedienst soll stärker eingebunden werden, täglich zur Katheterkontrolle und 2x wöchentlich zum Duschen kommen.
Bei den letzten Anträgen, obwohl Schwiegervater tatsächlich mindestens auf Pflegestufe 1 Anspruch hatte, wurde vom MDK ein Gutachten zur Ablehnung abgegeben, in dem auch Begründungen standen, er könne sehr gut hören, sehen und habe einen sehr sicheren Gang, was damals schon nicht stimmte.
Unseren Widerspruch behandelte man fast ein halbes Jahr nicht, vertröstete uns, dass Neuanträge Vorrang vor Widersprüchen hätten und erst massive Drohungen, rechtliche Schritte einzuleiten, sorgten letztendlich für eine neue Begutachtung, nach der Schwiegervater dann die Pflegestufe erhielt.
Diese würde allerdings momentan, auch als Sachleistung umgewandelt, nicht mehr voll den Umfang der Versorgung durch den Pflegedienst abdecken und uns graut schon davor, wenn es wieder so ein Kampf wird, wie wir die Zeit, bis wir endlich die Heraufstufung des Pflegegrads erstritten haben, abdecken können.
Zeitlich ist es uns nicht möglich, im vollen Umfang alles selbst zu machen, da Berufstätigkeit und Haushalt mit Kleinkindern uns auch beanspruchen.
Den Katheter bei Bedarf neu legen, können wir auch nicht und wir erkennen möglicherweise nicht die Anzeichen bei Komplikationen.
Wir würden zumindest gern die Katheterversorgung – eine Verordnung vom Hausarzt für 2 Wochen liegt derzeit vor – und Unterstützung bei der Körperhygiene abgedeckt wissen.

Nun habe ich viele Fragen gestellt und sehr lang berichtet, hoffe aber, dass Ihr mir mit Rat zur Seite stehen könnt, denn wir möchten Schwiegervater bestmöglich unterstützen, noch so lang wie möglich relativ selbstständig und mobil zu bleiben.

Gruß,
LillyNds

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25 Nov 2017 16:32 #2 von Ano
Moin liebe LillyNds !

Sei erst einmal recht herzlich willkommen in unserem Vereinsforum der Inkontinenz Selbsthilfe e.V.!

Dass Du mit dieser Thematik im Moment etwas überfordert bist, ist nur allzu normal und nicht verwunderlich. Üblicherweise beschäftigt man sich damit erst, wenn es einen selbst oder jemanden im direkten Umfeld betrifft.

Zu Deinen Fragen gibt es hier im Forum schon sehr viele Beiträge und auch gute Ratschläge.
Als erstes hier eine Verlinkung zur Info-Seite unseres Vereins bzgl. der Urinbeutel bzw. des Kondomurinals: Klick.

Dann verlinke ich Dir jetzt noch zwei Beiträge, die Dir sicherlich weiterhelfen können. Scrolle ruhig in den einzelnen Threads weiter und lies Dir die dauffolgenden Antworten alle durch - dort sind ebenfalls gute Tipps zu finden: Klick - und hier noch eine ähnliche Anfrage wie Deine mit den dazugehörigen Antworten: Klick.

Ich hoffe ich konnte Dir etwas weiterhelfen, denn persönlich bin ich nicht betroffen, weil ich unter Stuhlinkontinenz leide.
Herzliche Grüße,
Ano

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25 Nov 2017 18:41 #3 von LillyNds
Hallo Ano,

lieben Dank für die Links!
Die Beschreibung der Beutelarten kannte ich bereits.
Im Laufe des nachmittags habe ich mich mit einer Altenpflegerin unterhalten, die ganz erstaunt war, dass es die Bauchbeutel überhaupt noch gibt.
Sie meinte, dass sie nicht wirklich geeignet sind, wenn die Blase sich möglichst komplett entleeren soll, da irgendwann der Urin in der Blase und dem Beutel die gleiche Füllhöhe hat und dann der Urin im Schlauch steht, bis die Blase sich wieder mehr gefüllt hat.
Das wäre, im Fall meines Schwiegervaters wohl suboptimal, da es ja gerade darum geht, den Restharn möglichst auch aus der Blase zu bekommen.
Aus diesem Grund eignen sich leider auch die Urinal-Kondome nicht, denn ohne entsprechenden Katheter, kann mein Schwiegervater die Blase nicht entleeren, weil die Prostata zu viel Druck ausübt.
So zumindest, erklärte es uns der Arzt.

Normalerweise hätte Schwiegervater nun auch lieber auf den Katheter verzichtet und gleich die OP gewählt.
Das geht aber leider nicht, da durch die ständigen Infekte und gerade jetzt zuletzt die Entzündung, eine Niereninsuffizienz festgestellt wurde.
Der Arzt sagte wenn Schwiegervater überhaupt für eine OP in Frage käme, dann erst, wenn über einen gewissen Zeitraum die Blase per Katheter relativ leer gehalten wird, er viel trinkt und die Nieren spült, so das Nieren und Blase sich "erholen" können.
Erst dann würde man überhaupt darüber nachdenken, ob er operiert werden kann

Der Bauch-/Hüftbeutel und das Urinal-Kondom sind daher wohl doch nicht die besten Hilfsmittel.
Schade, wir hätten es Schwiegervater gern etwas bequemer gemacht.
Inzwischen haben wir uns entschieden, ihm eine Einbeinhose schmackhaft zu machen.
Auch diese empfahl mir die Altenpflegerin und meinte, damit hält der Beinbeutel besser, als mit den Gummibändern.

So toll die Klinik auch war - und mein Schwiegervater hat sich dort sehr gut aufgehoben gefühlt - muss ich doch auch anmerken, dass ich es etwas schade finde, dem Patienten und den Angehörigen lediglich zu raten, den Pflegedienst zur Katheterversorgung hinzu zu ziehen, aber ansonsten kaum die Entleerung des Beutels zu zeigen, bzw. ihnen nicht mehr über den Alltag mit Katheter und Möglichkeiten von Hilfsmitteln zu sagen.
In dem einen Link von dir las ich den Tipp, den Nachtbeutel in eine Schüssel zu legen.
Das werde ich meinem Mann gleich mit auf den Weg geben, wenn er nachher zu seinem Vater geht.

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25 Nov 2017 23:03 #4 von Ano
LillyNds, mir ist da noch eine Alternative zur Einbeinhose eingefallen:

Eine Schneiderin hat mir mal erzählt, dass sie schon für einige männliche Kunden eine Art Baumwolltasche von innen an das jeweilige Hosenbein angenäht hat, in der der Urinbeutel ganz dezent und sicher verstaut werden kann. Von außen nicht zu sehen.

Das wäre doch vielleicht noch eine Idee, mit der sich Dein Schwiegervater bestimmt mehr anfreunden könnte als mit einer Einbeinhose, meinst Du nicht? Es gibt ja inzwischen fast überall viele kleine Änderungsschneidereien und eine entsprechend weite Hose wird Dein Schwiegerpapa bestimmt haben.

LG, Ano

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25 Nov 2017 23:32 #5 von LillyNds
Er war nicht generell gegen Einbeinhosen.
Besser gesagt, er wusste nichts davon, sondern kannte jetzt nur die Befestigung mit den Gurten. Und die gefiel ihm überhaupt nicht.
Mein Mann hat heute Abend, im Beisein und mit Unterstützung der Dame vom Pflegedienst, die Einbeinhose angesprochen und sie gab noch ein paar Tipps, dass er auch über Rezept eine bekommen kann, wo er nur etwas zuzahlen müsste.
Das Problem war, dass er sich auf die Bauch-/Hüftbeutel eingeschossen hatte.
Da sprach die Pflegerin auch noch einmal mit Schwiegervater, so dass er einsah, dass der Bauchbeutel nicht sehr sinnvoll ist.
Montag müssen wir erst einmal beim Hausarzt nach einem Rezept für das ganze Material erbitten, denn derzeit ist ja noch gar nichts da, außer der Katheter, der liegt und 2 Beutel.

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26 Nov 2017 13:56 - 26 Nov 2017 13:58 #6 von Günti
Hallo LillyNds,

auch von mir ein herzliches Willkommen im Forum unseres Vereins Inkontinenz Selbsthilfe e.V..

Ano hat dir ja schon einige Tipps gegeben und Beiträge verlinkt..

Ich pflege meinen Mann nach einem sehr schweren Schlaganfall. Wir nutzen die Kondomurinale,
die für euch ja nicht in Frage kommen. Die Beinbeutel trägt mein Mann am Unterschenkel in einer Stulpe
von Russka,
.
Das hält super und ist auch nicht so teuer. Hatten wir auch schon, als der SPK noch lag.
Vielleicht wäre das ja eine Alternative für euch. Gibt es in verschiedenen Größen im Sanitätshaus.
Mein Mann fährt auch jeden Tag damit Motomed.

Lieben Gruß
Petra
Anhang:
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26 Nov 2017 14:00 #7 von LillyNds
Hallo Petra,

vielen Dank für den Tipp.
Das werde ich auf jeden Fall auch im Hinterkopf behalten.

LG,
Sylvia

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30 Nov 2017 14:44 - 30 Nov 2017 14:45 #8 von matti
Hallo Sylvia,

ich möchte noch darauf hinweisen, dass die Dauerableitung des Harns in einen Urinbeutel eine permanente Entleerung der Blase zur Folge hat. Die Blasenmuskulatur erschlafft, weil der natürliche Entleerungsrhythmus unterbunden ist. Mit einem Katheterventil kann man selbst gezielt entgegenwirken, da das Harnlassen erst nach Füllung der Blase erfolgt.

Dies ist vor allem am Tage eine gute Lösung und die "Problematik" mit dem Urinbeutel würde sich gar nicht stellen.

Nähere Informationen bietet beispielsweise: www.uromed.de/produkte/katheterismus-zub...theterventil-compact

Gruß

Matti

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30 Nov 2017 15:03 #9 von LillyNds
Hallo Matti,

danke für den Hinweis!
Ärztlich ist derzeit (noch) angestrebt, dass es tatsächlich zu einer möglichst dauerhaften Entleerung kommen soll - wobei der Arzt sagte, auch mit dem Katheter wäre die Blase nie komplett entleert - gerade um die Blase um die Blase zu entlasten.
Wir hatten dahingehend unsere Bedenken bereits im Arztgespräch angesprochen und gefragt, ob es sinnvoll wäre, den Ablauf umindest zwischendurch kurzzeitig zu blockieren.
Aufgrund der Schwere, mit der der Infekt wohl bis in die Nieren griff, die nun vorragig viel gespült werden müssen, lehnte er das derzeit noch ab.

Ich werde, wenn ich etwas Zeit finde, ohnehin hier ein wenig klagen, denn die letzten Tage waren sehr anstrengend, psychisch gesehen.

Gruß,

LillyNds

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30 Nov 2017 17:14 #10 von LillyNds
Hier nun zu klagen und mein Herz auszuschütten, hat wohl weniger etwas mit sachlichem Austausch rund um die Inkontinenzversorgung zu tun.
Vielleicht aber mit einem Thema, das viele andere Betroffene kennen, sich dann alles von der Seele reden müssen, um die Kraft zu haben, am Ball bleiben zu können.
Die Geschichte um uns, fängt nicht jetzt erst, mit Schwiegervaters erhöhtem Bedarf an Unterstützung an, sondern bereits vor einigen Jahren, als meine Schwiegermutter noch lebte.
Meine Schwiegereltern führten eine sehr glückliche und liebevolle Ehe, waren immer füreinander da und hätten sich nie gegenseitig ausgeschlossen.
Als Schwiegermutter körperlich immer weniger machen konnte und zudem, wenn sie nicht genug Flüssigkeit zu sich nahm, auch recht vergesslich wurde, kümmerte sich Schwiegervater aufopferungsvoll um sie, obwohl beide bereits über 80 Jahre alt waren.
Er wusch sie, begleitete sie zur Toilette, kochte, putzte, räumte auf, zog sie an und aus und gab ihr die Medikamente, die meine Schwägerin - angeblich nach dem Medikamentenplan des Arztes – im Voraus stellte.
Er hielt sich genau an ihre Anweisungen, denn er selbst konnte da schon nicht mehr gut sehen und vertraute einfach, dass es richtig sei, mittags und abends die Tabletten zu verabreichen.
Tatsächlich, wie wir später herausfanden, waren die gesamten Medikamente auf 5 Einzeldosen, beginnend am Morgen, dann Mittag, Nachmittag, Abend und Nacht verteilt.
Mit Grund, denn einige sollten untereinander nur in zeitlichen Abständen genommen werden.
Meine Schwägerin kam mit einem Duschstuhl an, damit sie Mutter nun jede Woche duschen könnte.
Wir selbst hatten zu dem Zeitpunkt einen Schicksalsschlag mit unserem jüngsten Sohn und waren kaum zu Hause, sondern fast ausschließlich in der weit entfernten Klinik, so dass wir also das gesamte Drama erst Monate später sahen.
Da fiel uns nämlich auf, dass der Duschstuhl noch immer original verpackt und ungenutzt, schon fast ein Dreivierteljahr in der Dusche stand.
Schwiegervater wusch seine Frau am Waschbecken, was wir, angesichts der Tatsache, dass beide körperlich auch nicht mehr so viel Kraft hatten, unverantwortlich fanden, denn wäre Schwiegermutter beispielsweise umgefallen, hätte Schwiegervater sie nicht halten können und sie hätten sich wahrscheinlich beide verletzt.
Unserer Meinung nach, sollte ein ambulanter Pflegedienst zumindest die Morgenhygiene und das Anziehen von Schwiegermutter übernehmen, damit Schwiegereltern entlastet wären.
Meine Schwägerin wehrte sich gegen den Gedanken, sie würde sich um ihre Mutter kümmern, jedoch auch nach dem Gespräch änderte sich nichts.
Sie kam lediglich am späten Vormittag, ließ sich von ihrem Vater das Frühstück zubereiten, aß, ließ Geschirr und alles stehen, um dann, direkt nachdem sie ihrer Mutter die Tabletten für morgens, mittags und nachmittags auf einmal gab, wieder zu gehen.
Wachsam geworden, fiel uns immer mehr auf.
Z.B. dass es seit fast 2 Jahren keine Kontoauszüge von Schwiegermutters Konto gab, obwohl Schwiegervater seine Tochter, mit der er zur Bank fuhr bat, die Auszüge in einen bestimmten Schrank zu legen.
Nur die vom Vater waren dort.
Über Jahrzehnte hatten meine Schwiegereltern ein Postfach und meine Schwägerin holte 1-2 x die Woche die Post dort ab, um sie den Eltern zu bringen.
Wie wir herausfanden, konnten wir keine Pflegestufe für Schwiegermutter beantragen, weil sie seit knapp 2 Jahren bereits eine hatte. Details dürfte man uns nicht nennen und so sprachen wir die Schwiegereltern darauf an.
Meine Schwiegermutter schüttelte entsetzt den Kopf, sie erhielte kein Pflegegeld, davon müsste sie wissen.
Schwiegervater, mit seiner oft poltrigen Art, wurde sogar richtig laut, was wir denn für einen Blödsinn erzählten, überhaupt, dann hätten sie ja von der Pflegekasse auch Post kriegen müssen.
Tatsächlich hatte es immer wieder Post gegeben, nur kam die nicht bei den Schwiegereltern an, sondern landete bei meiner Schwägerin.
Trotzdem war uns nicht ganz nachvollziehbar, dass Schwiegereltern nicht wenigstens beim Gespräch mit dem MDK hellhörig wurden.
Doch auch da hatten sie eine Erklärung.
Der war nämlich ausgerechnet terminlich mit meiner Schwägerin und Schwiegermutter „verabredet“, als mein Schwiegervater seine tägliche Spazierrunde machte. Jeden Tag zur gleichen Zeit.
Ein Zufall?
Überhaupt, so Schwiegermutter wäre der auch nur da gewesen, weil es um Bewilligung von einem Toilettenstuhl gegangen sei, damit Schwiegermutter nicht mehr nachts durch die ganze Wohnung tapsen müsste.
Meine Schwägerin habe ihr noch aufgetragen, nicht selbst zu antworten, wenn sie nicht müsste, sondern nur zu nicken, sonst würde der Toilettenstuhl nicht bewilligt.
Dachten wir da schon, in einem sehr schlechten Film zu sein, wurden wir eines Besseren belehrt.
Beim Versuch, das Pflegegeld in zumindest Teilsachleistung umzuwandeln, damit ein Pflegedienst hinzu gezogen werden konnte, erfuhren wir, dass der Pflegekasse eine mehrseitige Generalvollmacht vorlag, anhand der die „Betreuende“ jegliche Auskünfte, auch an den Ehemann, untersagt.
Wir mussten mit Schwiegermutter, einem geliehenen Rollstuhl und einem aufgebrachten Schwiegervater zur Krankenkasse, damit Schwiegermutter persönlich eine Kopie der Vollmacht beantragen konnte und auch bekam.
Natürlich stand dort meine Schwägerin als Bevollmächtigte in allen Bereichen drin.
Und, obwohl es Schwiegermutters Unterschrift auf der letzten Seite war, war sie sich ganz sicher, ihr nie eine derartige Vollmacht erteilt zu haben.
Sie habe vor gut 2 Jahren lediglich noch einmal ein Blatt wie diese letzte Seite unterschrieben, das für den Hausarzt war und in dem Schwiegermutter das „Hausarztprinzip“ wünschte. Zumindest hatte meine Schwägerin es ihr so gesagt, das Blatt vorgelegt, ihr einen Stift in die Hand gedrückt und sie ohne Brille unterschreiben lassen.
Zeitlich jedoch musste das Dokument rückdatiert worden sein, denn das Datum stimmte nicht mit der Wohnadresse zu dem damaligen Zeitpunkt überein. Zu der Adresse zogen sie erst ca. 5 Monate nach der angeblichen Unterschrift.
Es war unfassbar!
Meine Schwiegereltern wollte füreinander in Vollmacht stehen, selbst über das Pflegegeld entscheiden, von dem sie, nachdem wir gemeinsam auch bei der Bank waren und Auszüge für die vergangenen 2 Jahre in Kopie erhielten, daher dann auch wussten, dass jeden Monat 225,-€ Pflegegeld eingegangen, am selben Tag von meiner Schwägerin abgeholt worden waren, die am Folgetag noch einmal Kontoauszüge zog, so dass, wenn Schwiegervater am 3. des Monats mit ihr zur Bank fuhr, er keinen Anhaltspunkt über das Pflegegeld fand, es sei denn, er hätte die Summe der Eingänge nachgerechnet.
Die Elten meines Mannes waren fassungslos und wollten dem furchtbaren Treiben ein Ende setzen.
Zuerst vereinbarten sie einen Termin beim Notar, um neue und gerichtlich eingetragene Vollmachten aufzusetzen, in denen sie sich gegenseitig als Bevollmächtigte einsetzten.
Ersatzbevollmächtigter wurde mein Mann, der es eigentlich nicht sein wollte, jedoch war eine weitere Schwester nicht bereit, dies zu übernehmen, eine andere Schwester hatte seit Jahren keinen Kontakt mehr und somit blieben nur noch mein Mann und die Schwägerin, die überall tönte, wie aufopferungsvoll sie ihre Mutter pflegte, dabei jedoch alles auf den Vater abwälzte und nur das Geld einstrich.
Bis die notariellen Vollmachten da waren, gab es einige Wochen noch richtige Kämpfe, um für Schwiegermutter alles regeln zu können, ohne an der „Vollmacht“ der Schwägerin zu scheitern.
Es lief teilweise sogar darauf hinaus, dass man – solange keine notarielle Vollmacht vorlag – stellenweise sogar ein Gutachten forderte, das beweist, dass meine Schwiegermutter geistig überhaupt in der Lage sei, die Vollmacht der Schwägerin für nichtig zu erklären, schließlich wüsste man von der Tochter, dass die Mutter geistig völlig verwirrt wäre.
Sorry, aber: Blödsinn, verwirrt war meine Schwiegermutter höchstens nur, wenn sie ihre Medikamente durcheinander verabreicht bekam.
Nach Wochen war es dann endlich soweit, die notariellen Vollmachten waren da, wir fuhren mit Schwiegereltern von einer Stelle zur anderen, damit Schwiegermutter ihrer Tochter Kontovollmachten entziehen, den Zugriff aufs Postfach verweigern konnte, das gleichzeitig auch gekündigt wurde, der KK und Pflegegeldkasse untersagte, meiner Schwägerin noch Auskunft zu erteilen und letztendlich war alles auch geregelt.
Mit einer höheren Einstufung der Pflegestufe, wurde ein ambulanter Pflegedienst hinzu gezogen und Schwiegereltern bekamen endlich regelmäßige und fachlich kompetente Unterstützung, die ihnen in wichtigen Eckpunkten eine Selbstständigkeit erhielt und den Alltag entspannter werden ließ.
Leider hatte aber auch die diffuse Gabe der Medikamente den Körper von Schwiegermutter zusehends geschwächt und sie starb fast genau 2 Jahre, nachdem sie und Schwiegervater ihre „Freiheit“ und Selbstbestimmung zurück erhalten hatten, an den Folgen eines Schlaganfalls.

(Teil 2 folgt)

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