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Dekubitus am Steiß und Stuhlinkontinenz

12 Feb 2015 14:12 - 21 Feb 2015 11:14 #1 von Christiane50
Hallo an Euch alle

Ich würde gerne noch einmal Eure Erfahrungen als Praxis-Experten hören, weil ich ziemlich verzweifelt bin.

Wie einige von Euch wissen, liegt mein Bruder nach einem Schlaganfall vor 15 Monaten mit einer linkseitigen Hemiplegie in einem Pflegeheim. Er ist harn- und stuhlinkontinent. Mittlerweile hat sich bei ihm ein tiefer, wohl bis auf die Knochen gehender Dekubitus am Steiß gebildet, ungefähr so groß wie eine 2-Euro-Münze. :( Sein Pflegeheim ist gut. Er hat seit dem Frühsommer sowohl eine Dekubitus-Matratze im Bett, als auch ein Dekubitus-Kissen im Rollstuhl. Er wird alle 2 Stunden (auch nachts) anders gelagert und ist augenblicklich fast nur noch im Bett, d.h. er nimmt an keinen sozialen Veranstaltungen mehr teil, und wir wagen nur noch ca. 2 mal pro Woche mit ihm für 30 Minuten im Rollstuhl an die frische Luft zu gehen, was seine Psyche noch mehr belastet. Er bekommt zwar täglich für 2 Stunden Besuch von einem Familienmitglied, auch der soziale Dienst schaut ab und zu vorbei, aber dennoch ist er sehr viel alleine in seinem Zimmer.

Trotzdem heilt der Dekubitus wohl v.a. deshalb nicht ab, weil mein Bruder mehrmals am Tag einen sehr weichen Stuhlgang hat, der in die Wunde gerät, so dass sie ständig gereinigt werden muss.
Da ich meinem Bruder gerne eine OP ersparen würde, hatte ich seiner behandelnden Ärztin für den Dekubitus eine enzymatische Behandlung vorgeschlagen und für das Stuhlproblem den Beginn mit Irrigation. Letzteres hatte ich hier im Forum als Alternative mitbekommen. Die Ärztin kannte Irrigation gar nicht, hat aber so eine Apparatur bestellt (schon deshalb, weil es ihr Budget nicht belastet. :angry: ) Nachdem ich zwei Wochen beruflich unterwegs war (und meine Kinder sich um ihren Onkel gekümmert haben), wurde ich darüber informiert, dass eine Chirurgin sich die Wunde angesehen habe und man mir zu einer Operation rät, bei der auch ein Stoma gelegt werden soll. Ich weiß, dass das Legen eines vorübergehenden Stoma durchaus üblich ist, aber ich habe kein gutes Gefühl. Ich liefere meinen Bruder nicht gerne so einem massiven medizinischen Eingriff aus. Er selbst artikuliert nur auf mehrfache Nachfragen seinen Willen. Er meinte, er würde lieber eine längere Behandlung im konventionellen Bereich haben, als eine Operation, selbst dann, wenn das mehr Schmerzen für eine längere Zeit bedeuten würde. Ich kann das gut verstehen.
Meine Frage an Euch: Was sagt Ihr dazu? Hat jemand von Euch Erfahrungen mit der Behandlung eines nicht heilenden Dekubitus am Steiß, mit der Problematik, dass der Stuhl immer wieder die Heilung paralysiert? Wie sieht es mit der Nachhaltigkeit einer Behandlung eigentlich aus? Wird das Problem uns durch die nächsten Jahre begleiten?

Für Eure ausführliche Meinung und eventuellen Tipps, wäre ich Euch wirklich sehr, sehr dankbar!
Liebe Grüße
Christiane50

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12 Feb 2015 14:48 - 21 Feb 2015 11:15 #2 von Struppi
Hallo Christiane50,
oha, bei Knochenbeteiligung ist eine Operation in den meisten Fällen unumgänglich. Ich frage mich nur, warum nicht mit moderner Wundbehandlung gearbeitet wird?

Falls bei mir mal ein Deku auftritt (ist nie ausgeschlossen, auch bei bester Pflege nicht), dann wird dieser mit Materialien behandelt, die ein Eindringen von Stuhl in die Wunde nahezu unmöglich macht. Die Wunde wird gespült, mit einem Alginat-Schaum ausgesprüht und einer Folie (z.B. von Coloplast; Comfeel-Platten), die passgenau u. ohne Faltenwurf an die Stelle angepasst wird, abgedeckt. Dies ist vermutlich nur einer von vielen Wegen, den das moderne Wundmanagement heute kennt, um Dekubitalgeschwüre zu behandeln.

Das Legen eines Stomas bei Auftritt eines Dekubitus halte ich für eine doch sehr drastische und in meinen Augen überzogene Reaktion als Problemlösung. Ob und in wie weit die Irrigation hilfreich sein könnte, steht allerdings auf einem anderen Blatt - bei dünnflüssigem Stuhl sollte die Irrigation möglichst nicht angewandt werden bzw. sie könnte das Problem eher noch verschlimmern da immer ein Teil des Wassers vom Darm absorbiert wird und der Stuhl noch flüssiger werden könnte.

Eine weitere Option wäre ein Flexi-Seal-System, ein Fäkalkollektor, der sehr gut verträglich ist und bei dem neben der Seite- auch Rückenlage (bei leicht angewinkelten/-gelagerten Beinen) gut möglich ist. Auf diese Weise käme kein Stuhl in die Wunde und das Legen eines Stoma wäre nicht notwendig.

Gibt es in dem Heim einen Wundmanager? Falls nicht, ist der Kontakt zu einem Drittanbieter möglich?

Grüße

Hannes
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12 Feb 2015 15:21 #3 von Christiane50
Hallo Hannes,

im Pflegeheim selbst gibt es keinen Wundmanager, er ist aber von außen hinzugezogen worden. Jedoch halte ich ihn für nur mäßig gut qualifiziert. So wurde mir persönlich gesagt, dass "wahrscheinlich" die Wunde bis zum Knochen geht; auf der Behandlungsempfehlung an die behandelnde Ärztin wurde dann jedoch die Aussage getroffen "bis auf den Knochen". Danke für Deine Empfehlung bezüglich Alginat-Schaum und Folie. Ich werde Deinen Anregungen nachgehen - denn von ärztlicher Seite kommt so etwas leider nicht. (Ebensowenig wie Deine Erörterung des Einsatzes eines Flexi-Seal-System.) Eigentlich sollte man doch vermuten, dass einem der Wundmanager oder die Medizinerin derartige Alternativen aufzeigen, oder bin ich da zu naiv? ;)

Ich bin für Deine Alternativlösungen wirklich sehr dankbar! Zum wiederholten Mal bekomme ich hier im Forum mehr Hilfe, als von den behandelnden Ärzten. Erst wollte man meinem Bruder in der Reha einen suprapubischen Katheter legen (was ich verhindert habe), jetzt wollen sie ihm ein Stoma legen - fehlt als pflegeerleichternde Maßnahme nur noch die Standleitung zur künstlichen Ernährung. Es macht mich ärgerlich, wie wenig sich Fachpersonal (sowohl Pfleger, als auch Mediziner) sich in einzelne Menschen hineinversetzen.

Ihr hier im Forum seid mir da eine große Hilfe! Danke!

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13 Feb 2015 09:04 - 21 Feb 2015 11:15 #4 von matti
Hallo Christiane50,

ich habe heute Morgen einmal meine Pflegekraft zu dem von dir beschriebenen Problemen befragt. Sie ist auch Wundmanagerin.

Sie sprach von einem System mit dem Namen V.A.C. Therapy.

Damit hätte sie beste Erfahrungen gemacht. Ich kenne dieses System nicht. Vielleicht googelst du danach einmal.

Einen Link habe ich gefunden, der das System schon einmal ganz gut beschreibt: www.kci-medical.de/DE-GER/vactherapy

Persönlich bin ich der Meinung das ein Wundmanager in einem Pflegeheim ständig vor Ort sein sollte. Es geht ja nicht nur darum einen entstandenen Dekubitus zu behandeln, sondern diesen möglichst zu verhindern, bzw. im Anfangsstadium zu erkennen und Gefahren zu minimieren.

Matti
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13 Feb 2015 10:34 #5 von Christiane50
Danke Matti, für diese wertvollen Infos!
Meine Erfahrung mit Wundmanagern ist sehr unterschiedlich. Im vorhergehenden (eigentlich "schlechteren") Pflegeheim gab es eine sehr kompetente Wundmanagerin, eine junge Frau, die sehr gewissenhaft und konsequent, den damals nicht tiefen, aber großflächigeren Dekubitus behandelte. Sie gehörte zum Pflegeheim. Als mein Bruder letzten Sommer das Pflegeheim verließ, war der Dekubitus fast abgeheilt.
Im jetzigen (eigentlich guten) Pflegheheim wird ein Wundmanager von außen zugezogen. Er gehört zu der Firma, die die ganzen Sanitätsprodukte in das Heim liefert. Ich kenne ihn nur vom Telefon, er ist freundlich, aber wie ich finde relativ inkompetent (das ist aber nur ein subjektiver Eindruck von mir).
Das Problem für mich ist, dass kein Mensch wirklich ein Interesse am Wohlergehen eines älteren Menschen (er ist erst 69 Jahre alt!) hat. Kein Mensch, weder Mediziner, noch Pfleger, findet ihren beruflichen Ethos darin, sich einem Kranken zuzuwenden und ihn optimal zu versorgen. Jegliche Innovation muss von uns Angehörigen kommen, und dabei müssen wir auch noch manchmal richtig kämpfen.
In meinem Leben hatte ich noch nie viel mit Krankheiten zu tun. Das ist ein großes Glück und ein Geschenk. Jedoch wird mir Angst und Bange, selbst mal so krank und abhängig zu werden. Ohne aktive und engagierte Angehörige, wird man zum hilflosen Spielball gewinnorientierter Interessen. Das ist ein Skandal! Um so wichtiger sind solche Selbsthilfeforen, wie dieses hier.
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13 Feb 2015 12:12 - 21 Feb 2015 11:16 #6 von Johannes1956
Liebe Christiane50,

Zu den pflegerischen Maßnahmen ist ja schon sehr kompetent von Struppi und Matti berichtet worden.

Ich möchte noch auf einen Umstand hinweisen, der auch unbedingt geprüft werden sollte. Das Problem heißt Proteinmangelernährung. Wir hatten einmal eine Studie laufen, bei der die Zusammenhänge zwischen Proteinmangelernährung, hospitalisierten Patienten und Wundheilung untersucht wurde. Das Ergebnis war insofern niederschmetternd, dass viele Patienten, vor allem ältere Menschen mit Grunderkrankungen bereits bei der Einlieferung ins Spital leichte bis mittlere Proteinmangelernährung hatten und diese sich während des Spitalaufenthaltes verschlechterte, was zu einer dramatischen Verschlechterung der Wundheilung führte.

Die Frühdiagnose einer Proteinmangelernährung wird mit dem Blutparameter Retinol Bindendes Protein (RbP) und Präalbumin durchgeführt. Wenn das Albumin, der Haupteiweissstoff in unserem Blut erniedrigt ist, dann ist die Proteinmangelernähtumg bereits fortgeschritten.

Ich erläutere dies deswegen, da selbst bei bestem Wundmanagement und bestehender Proteinmangelernährung die Heilungschancen deutlich verschlechtert sind und umgekehrt, bei gutem Proteinernährungszustand die Heilungschancen erheblich verbessert sind.

Neben den Wundmanagern sind also auch diplomierte Ernährungsberater in solchen Fällen heranzuziehen. Proteinmangelernährung sieht man nicht, zumindest nicht gleich, deshalb ist eine Blutuntersuchung mit genannten Parametern dringend anzuraten.

Alles Gute

Johannes

Hier noch ein Link zu einer schönen Arbeit zu diesem Thema
www.betreuungundpflegeimalter.net/index....weiglhofer?Itemid=62
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13 Feb 2015 17:28 - 21 Feb 2015 11:16 #7 von Christiane50
Dankeschön für Deine Antwort, Johannes.
Natürlich hatte ich mich im Netz auch schon vorher ein wenig umgesehen und bin auf die Ernährung gestoßen. Als ich das bei der behandelnden Ärztin ansprach bin ich auf totales Erstaunen gestoßen. Sie meinte, die Ernährung wäre doch gute Hausmannskost, mit Fleisch und Fisch etc.. Da hat sie auch wirklich nicht unrecht, die Speisepläne und die Mahlzeiten sind reichhaltig, abwechslungsreich und ganz gut. Allerdings müsste mal tatsächlich wohl ein Bluttest gemacht werden, ob irgendwelche Mangelerscheinungen vorhanden sind.
Wenn man als Kassenpatient ständig etwas will, ist das eine schwierige Position. Ich versuche vorsichtig, aber konsequent meine Anforderungen zu formulieren, muss aber aufpassen, dass ich nicht als Querulantin stigmatisiert werde. Mir fällt auf, dass das offensichtlich nicht sehr oft vorkommt, dass einem ein Mensch im Pflegeheim absolut nicht egal ist. Wir versuchen immer noch (und werden es immer tun), das Pflegeheim nicht als Endstation zu sehen, sondern als Durchgangssituation, die mein Bruder vielleicht irgendwann mal verlassen kann, um zu mir zu ziehen. Alle behandeln ihn aber so, als ob er nichts mehr zu erwarten hätte. Was ist das denn für eine Haltung? Wie kann ich es mit meiner Berufsehre als Fachpersonal vereinbaren, zu verwalten, und nicht zu fördern? Mir ist so etwas einfach unverständlich - in meinem Beruf bin ich doch so auch nicht.
Danke für die lieben Worte. Dieses Dekubitus-Problem überlagert alles, was ich vorhatte und anorganisiert hatte, um Pitt zu fördern. Irgendwie läuft mir für ihn die Zeit weg, fürchte ich. Er wird ja nicht jünger.

Vielen Dank und liebe Grüße
Christiane50

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13 Feb 2015 18:10 - 21 Feb 2015 11:17 #8 von Johannes1956
Liebe Christiane50!

Wie ich Dich einschätze, lässt Du Dich weder abwimmeln, noch einschüchtern. Du hast absolut recht, dass es eine Perspektive gibt, aber es müssen alle mithelfen.

Das Problem mit der Proteinmangelernährung ist, dass man sie auch bei guter Ernährung bekommen kann, etwa durch Entzündungen oder Verbrennungen. Lies Dir beigefügten Artikel durch, da stehen auch alle Laborparameter, die man testen sollte und spezielle Ernährung und Zusatznahrung, die beachtet werden soll, wenn eine Proteinmangelernährung vorliegt.

Ich kenne das ganz genau, wie schnell man als Querulant oder Besserwisser abgetan wird, aber Du wirst es mit Diplomatie schaffen!

Schau einmal in die aktuellen Laborbefunde, wenn da der Entzündungsparameter CRP hoch ist, kann das schon ein Indiz sein, in einen Proteinmangel hineinzulaufen.

Johannes
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13 Feb 2015 18:14 - 21 Feb 2015 11:17 #9 von matti
Hallo Christiane50,

du hast mehrfach geschrieben, das dein Bruder in einem gutem Pflegeheim sei.

Mich würde einmal interessieren an was du das festmachst. Was erhält dein Bruder neben der Pflege und Betreuung an Therapien?

Bekommt er Physiotherapie, Ergotherapie, Logopädie oder irgendetwas anderes was seine Situation positiv fördert? Wenn ja, in welcher Frequenz. Wenn nein, warum nicht?

Wie sieht den der typische Tagesablauf deines Bruders aus?

Ich halte die Ärztin für naiv in ihrer Aussage und Einschätzung. Entscheidend ist was dein Bruder zu sich nimmt, nicht was auf den Essensplan steht! Isst dein Bruder den selbstständig?

Matti

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14 Feb 2015 16:18 - 21 Feb 2015 11:17 #10 von Christiane50
Hallo Matti,

mein Bruder erhält augenblicklich zwei bis drei Mal pro Woche Physiotherapie, und ein Mal Ergotherapie. Da ich gerade den Neurologen wechsle, muss ich mich erneut um die Logopädie kümmern. Ich sehe es als ein Problem an, dass Neurologen (so wie die meisten Fachärzte) in der Regel nicht Hausbesuche machen. Augenblicklich hat - auf Empfehlung des Pflegeheims - Pitt zwar einen Neurologen, der bei ihm Kurzbesuche macht - die sind aber so kurz und ohne vorherige Ankündigung, dass ich ich noch nicht zu fassen bekommen habe. Selbst die behandelnde Hausärztin sagt, dass sie es nicht schaffen würde, ihn ans Telefon zu bekommen, weil er eine sehr große Praxis habe, sie kommunizieren dementsprechend nur über Faxe. Das finde ich keine tragbare Situation. Das Schlimme ist, dass einen jeder Arzt eigentlich spüren lässt, dass mein Bruder ein Patient ist, der lediglich sein Budget belastet. Ich bin immer wieder gezwungen durch Praxisbesuche, dies oder jenes für Peter zu erreichen. So habe ich durch eine ganz simple Excell-Liste, in der ich die aktuellen Medikamente aufgeführt hatte (den Zeitpunkt der Verordnung, Einnahmezeiten, Nebenwirkungen etc.) eine Bewußtsein schaffen können, dass drei (3!) blutdrucksenkende Mittel zu viel sind. Das für eine Woche daraufhin durchgeführte Bluddruck-Profil hat das bestätigt. Ähnlich war es mit einem verordneten Muskelrelaxan (Lioreasal), das Pitt völlig apathisch und müde gemacht hat, ohne in irgend einer Weise die Spastik seiner linken Hand zu verbessern. Erst wenn ich die zugehörige Studie ausdrucke, auf den Tisch lege und verlange, dieses Mittel abzusetzen und eventuell an Botox zu denken (Botox ist viel teurer!), geschieht etwas. --- Das ist für mich neben Beruf und Familie sehr schwierig durchzuhalten.

Das Pflegeheim ist sehr bemüht, überall sich zu engagieren. Einerseits ist dieses Heim baulich sehr schön ist, fast wie ein luxuriöses Hotel, Peter hat ein sonnendurchflutetes Zimmer, es stinkt nicht überall nach Urin, weil viel gewischt wird (das hatte ich schon völlig anders erlebt). Im Sommer sind die Aufenthaltsräume klimatisiert, überall stehen zum Selbstzapfen gekühlte Säfte in Geräten, daneben Mineralwasser. Der Tagesablauf ist normal: gemeinsame Mahlzeiten an einem Tisch, an dem es manchmal auch zu richtigen Konversationen kommt, weil die Mischung zwischen beginnend Dementen und "nur" körperlich eingeschränkten Bewohnern stimmt. Die Pfleger haben zwar wenig Zeit, aber die Atmosphäre ist dennoch meist gut. Mein Bruder muss beim Essen geholfen werden, an manchen Tagen mehr, an manchen Tagen weniger. Aber da z.B. fängt meine Kritik an: meist wird er einfach rasch abgefüttert, anstatt das Essen angereicht. Der Impetus, ihn zur Eigenständigkeit zu ermuntern, ist manchmal sehr schwach ausgeprägt.

Die Körperpflege funktioniert gut. Da ich die Wäsche meines Bruders selbst wasche (damit sie besser duftet und nicht verloren geht :) ) kann ich sehen, dass sie ihm auch wenn ich nicht da bin, das Shirt/den Pulli oder was auch immer oft genug wechseln, wenn er viel schwitzt. Er wird sofort frisch gemacht, wann immer es nötig ist. Die Nägel sind gepflegt, er ist immer frisch rasiert (das kenne ich auch ganz anders) und er macht insgesamt einen gut gepflegten Eindruck. Der Ton mit ihm ist mittlerweile sehr vertraut und scherzend, Peter scheint das zu gefallen (aber er beschwert sich leider sowieso über nichts, leider).

Man gibt sich auch Mühe, mir Dinge abzunehmen: ist der Rollstuhl kaputt, kümmert man sich eigenständig um Reperatur und sorgt für Ersatz (das kenne ich auch ganz anders), die Pfleger haben ein Auge, dass der Physiotherapeut auch tatsächlich seine Stunden nachholt, wenn sie mal verschoben worden sind, man versucht die ärztlichen Anordnungen sofort umzusetzen (es existiert ein eigenes PC-Programm, mit dem die aktuelle Situation des Patienten einzusehen ist), ich habe den Eindruck gewonnen, dass Pitt alle Medikamente regelmäßig bekommt (auch das kenne ich vom vorhergehenden Heim anders, wo Antibiotika einfach mal vergessen wurden, mit der Folge, dass ich Pitt mit einer beginnenden Urosepsis nachts vom Notarzt in die Klinkik habe einliefern lassen).
Das soziale Betreuungsteam ist sehr engagiert in diesem Heim. Es gibt mehrere Veranstaltungen (Zeitungsrunden, Liedrunden, Bewegungsmotivationen etc.), zu denen die Bewohner regelmäßig abgeholt werden. Darüberhinaus wird z.B. mein Bruder, der augenblicklich ja fast nur im Bett liegt, täglich von den unterschiedlichen sozialen Betreuern besucht. Sie bringen ihm CDs mit seiner geliebten klassischen Musik mit, unterhalten sich, lesen ihm was vor und sind mit ihm auch schon an die frische Luft gegangen, als er noch im Rollstuhl sitzen durfte.

Was mir fehlt, ist Einfühlungsvermögen. Ich wünsche mir, dass die berufliche Distanz zu den Heimbewohnern nicht so groß ist, dass man in ihnen nur noch Objekte, anstelle des Individuums sieht. Ich wünschte mir, so manch kleine Lieblosigkeiten, die nur auf Gedankenlosigkeit beruhen, würde es nicht geben. Ich wünschte mir, dass gehandicapte Menschen, wie mein Bruder, in erster Linie als Mensch, und in zweiter Linie als gehandicapter Mensch gesehen werden.

Meine augenblickliche Verzweiflung beruht auf dem augenblicklichen Stillstand durch den Dekubitus. Peters psychosozialer Entwicklung schadet die Isolation. Es schadet ihm nicht von den Tischnachbarn angesprochen zu werden, weil er alleine im Zimmer die Mahlzeiten einnimmt. Die Physiotherapie leidet darunter, der Ergotherapeut sagt, es wäre nicht so schlimm, wenn er im Bett bleiben solle.

So Matti, jetzt habe ich Dir einen kleinen Einblick gegeben. Und es ist für mich höchste Zeit, den PC wieder zu verlassen.
Danke für Dein Eindenken in meine/unsere Probleme.

Liebe Grüße und ein schönes Wochenende
Christiane50

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