Sebald schrieb: Aber ich wollte interessehalber doch nochmal fragen: Du blockst diesen Bauchdeckenkatheter nachts, wenn ich das richtig verstanden habe. Läßt sich dieses System denn nicht an einen Beutel anschließen? Für die Nacht erscheint mir das wesentlich angenehmer als mit einer schmerzend vollen Blasen aufzuwachen.
Ist mehr eine Frage als ein Vorschlag...
Hallo Sebald,
danke auch an dich für deine nette Begrüßung hier.
Ich blocke meinen Katheter immer, seit ich den Bauchdeckenkatheter habe. Ich habe noch nie über das "Laufenlassen" in der Nacht nachgedacht und möchte da auch eigentlich nicht wieder zurück, wie früher, als ich noch den Harnröhrenkatheter benutzt habe.
Natürlich wäre es angenehmer, nachts nicht mit den Bauchschmerzen aufzuwachen, aber ehrlich gesagt schlafe ich ruhiger, weil ich weiß, dass ich bei meinen nächtlichen Aktivitäten nicht plötzlich irgendwelche Verbindungsstücke auseinanderreißen. Mir ist es nämlich mit dem Harnröhrenkatheter dreimal passiert, dass ich in einer Pfütze aufgewacht bin, weil sich irgendwelche Verbindungen gelöst hatten und der Urin dann hemmungslos ins Bett geflossen ist.
Wie gesagt, für gewöhnlich geht mein Mann eh erst einige Stunden nach mir schlafen, weil ich grundsätzlich mehr Schlaf benötige als er und wir gemeinsam aufstehen. Dann weckt er mich mitten in der Nacht und ist dabei auch gnadenlos konsequent, wenn ich so gar keine Anstalten mache, aufzustehen, sondern wieder einzuschlafen drohe. Das hilft mir für gewöhnlich, die Nacht unbeschadet zu überstehen.
Wenn wir gemeinsam schlafen gehen, muss ich halt mal raus - aber das war früher (zu gesunden Zeiten) ja auch hin und wieder so, dass ich nachts mit einem Harndrang aufwachte und zur Toilette gehen musste. Da hatte ich nur nicht diese Bauchschmerzen.
Matti schrieb: du schreibst in mehreren Beiträgen von starken bzw. rasenden Bauchschmerzen als Signal das deine Blase voll ist. Interessant wäre einmal, wie viel Urin dabei in der Blase ist. Hast du diese Schmerzen bereits bei 100-200 ml, sollte vor allem das Blasenvolumen erhöht werden. Entleerst du aber 500 ml und mehr, dann solltest du über den Entleerungsintervall nachdenken.
Hallo Matti,
es sind für gewöhnlich schon mehr als 200 ml, die in der Blase sind, 500 ml sind aber nur in Ausnahmefällen drin, wenn ich so gar keine Zeit hatte, zur Toilette zu gehen. Normalerweise sind es zwischen 300 und 400 ml, die mir in der Blase die Schmerzen verursachen. Dann sind die Schmerzen aber auch noch nicht wirklich "rasend", halt nur stechend. Sobald ich merke, dass meine Blase anfängt zu stechen, gehe ich ja ohnehin zur Toilette (wenn möglich), weil Schmerzen ja grundsätzlich nicht angenehm sind, auch wenn es nur ein bisschen schmerzt.
Matti schrieb: Auch wenn sich dies paradox anhört, sind die "Schmerzen" für einige Therapieoptionen gar kein so schlechtes Zeichen. Es zeigt nämlich, dass du auf jeden Fall über Restsensibilität verfügst. Ohne diese hättest du auch keine Schmerzen.
Stimmt, so habe ich das noch nie betrachtet. Und wie gesagt, ich merke ja auch den Anfang des Stechens. Es wird nicht immer ganz schlimm, nur wenn ich halt keine Toilette in der Nähe habe, wenn die Schmerzen auftreten. Dann kann es schon mal sehr unangenehm werden. Aber das Problem haben sicherlich auch gesunden Menschen, wenn die Blase voll ist und keine Toilette in Sicht.
Nachts wecken mich die Schmerzen halt erst ab einer bestimmten Stärke. Vorher ignoriere ich die im Schlaf vermutlich. Und wenn die Schmerzen gerade in einer Tiefschlafphase auftreten, kann auch schon mal was daneben gehen - aber das ist sehr selten...
Matti schrieb: Tabuisierung beim Thema Inkontinenz findet zu 99% in den Köpfen der Betroffenen statt. Würden die Betroffenen nicht unendlich viel Energie aufwenden um alles daran zu setzen ihr "Problem" zu verheimlichen, wäre Inkontinenz in der Gesellschaft schon lange kein Tabu mehr. Mindestens jeder 8-10 Bürger in Deutschland ist selbst betroffen. Wahscheinlich gibt es kein anderes Krankheitsbild welches soweit in der Gesellschaft verbreitet ist. Den unterschiedlichen geschlechtspezifischen Umgang mit der "Problematik" halte ich für eine Mär. Dafür habe ich mich mit tausenden Betroffenen persönlich unterhalten. Immer die gleichen Probleme. Zumeist ist das größte Problem nicht das Symptom des unwillkürlichen Urinverlustes, sondern die Fragestellung wie man dies am besten verheimlichen kann (vor dem Arzt!!!, vor dem Partner!!!!, vor Freunden und Bekannten).
Das ist möglich und vermutlich gar nicht so falsch, was du da sagst. Aber Tatsache ist auch, dass wenn ich es Leuten erzähle, dass ich an Inkontinenz leide, ich mir immer wieder die Frage stelle: "Geht es den anderen überhaupt etwas an? Bin ich nicht wieder viel zu offen? Gebe ich nicht etwas von mir preis, was man normalerweise lieber nicht sagen sollte?"
Gut, in meiner Familie, in meinem Freundschaftskreis und in meinem Kollegium wissen alle davon. Da habe ich auch kein Problem, sowas zu verheimlichen. Es mag aber auch daran liegen, wie ich schon weiter oben geschrieben habe, weil ich einen "Schuldigen" für mein Problem ausmachen kann. Es ist nicht so von jetzt auf gleich passiert, sondern es geht bei mir eindeutig auf einen Behandlungsfehler zurück. Ich weiß nicht, ob ich genauso offen darüber reden könnte, wenn es ein schleichender Prozess gewesen wäre und ich dazu stehen müsste, dass mein Körper ohne erkennbare Gründe plötzlich die Blasentätigkeit eingestellt hätte. Meinem Mann, meiner Familie und meinen Freunden hätte ich vielleicht trotzdem davon erzählt, aber ob ich soweit gegangen wäre, frei im Kollegium darüber zu berichten, weiß ich nicht.
Vermutlich ist die Tabuisierung tatsächlich eher auf die Betroffenen selbst zurück zu führen - aber es ist doch nun mal so, dass man - vor allem, wenn man den Urin nicht halten kann - sich doch dessen schämt. Ich hatte, als ich den Harnröhrenkatheter hatte, ständig das Gefühl, nach Urin zu riechen. Mein Mann meinte zwar, das wäre nur Einbildung, aber ich war mir sicher, dass man das riechen müsste. Und so fühlte ich mich nicht wirklich wohl unter lauter fremden Leuten, manchmal sogar nicht mal mehr unter meinen Freunden. Seit ich den Bauchdeckenkatheter habe, der mit einem Ventil schließt, habe ich den Uringeruch nicht mehr in der Nase und fühle mich viel wohler so.
Es geht ja nicht nur darum, dass man sich dessen schämt, sondern dass man glaubt, zu einer Belastung für die anderen zu werden, weil man diese dem hässlichen Geruch des Urins aussetzt. Ich glaube, niemand, egal ob gesund oder krank, findet es schön, jemanden "riechen" zu können, sei es uralter Schweiß oder Urin oder Kot. Rückt da nicht jeder unweigerlich etwas von der Geruchsquelle weg und sucht eine geruchsneutralere Ecke?
Ich gehe davon aus, dass das der Grund ist, dass viele dass Thema möglichst nicht anschneiden. Eben weil der Begriff "Inkontinenz" zugleich mit "Uringeruch" und "Windeln tragen" einhergeht. Und ich glaube, dass es für Außenstehende nicht immer nur egal ist, wie du es schreibst, sondern eher unangenehm. Ich glaube nicht, dass das ein Thema ist, das genauso behandelt wird, wie z.B. das Wetter.
Vor allem habe ich die Erfahrung gemacht, dass die Inkontinenz für Außenstehende ein viel größeres Problem zu sein scheint, als für mich als Betroffene selber. Meine Familie konnte z.B. nicht nachvollziehen, dass es für mich ein größeres Problem darstellte, nach dem Bandscheibenvorfall nicht mehr richtig laufen zu können als kein Wasser mehr lassen zu können. Für mich persönlich finde ich die Tragik, dass ich nicht mehr so gut laufen kann, viel schlimmer, als die Notwendigkeit einmal im Monat den Katheter wechseln lassen zu müssen - zumal ich bisher ja ganz gut damit klar komme.
Das ist meine Meinung zu deiner Theorie. Viele Grüße, Hille