05.10.2013
Hallo, ihr Lieben,
ihr findet mich ein bisschen ratlos angesichts eurer so großen Bereitschaft, mir mit Tipps und Ratschlägen unter die Arme zu greifen. Ihr helft mir schon alleine damit, den Mut nicht zu verlieren und mich mit der gegebenen Situation zu arrangieren. Dafür herzlichen Dank an euch alle! Viele der Vorschläge helfen mir echt weiter.
Ich komme wohl nicht umhin, ein wenig mehr von den Umständen meiner Krankheit zu erzählen, zumal ich beim Stöbern im Forum sehe, dass viele Menschen trotz ihrer unterschiedlichen Erkrankungen gleiche Erfahrungen und gleiche Fragen haben. Vielleicht kann ich ja meinerseits auch einige Antworten beisteuern, die dem Forum nützlich sind.
Viele Wege führen nach Rom und bei mir haben viele Wege zu meiner jetzigen Inkontinenz geführt. Manchmal waren es auch ganz verschlungene Pfade, bei denen erst allmählich klar wurde, was sie miteinander zu tun haben.
Mit 5 Jahren Angina, Gelenkrheuma, Herzklappendefekt. Die Ärzte meinten, ich solle mich nicht belasten, nicht bewegen – die Treppen wurde ich von Mutter hochgetragen. Auch während der Schulzeit „vom Sport befreit“.
Antibiotika mein ganzes weiteres Leben bis heute. Auch wenn es die Ärzte stets ausschlossen, die meisten Antibiotika sind heute wirkungslos und wenn ich sie trotzdem schlucke, dann lächeln meine lieben Bakterien nur noch müde.
Erste Herz-OP Nov. 2000, die zweite ein halbes Jahr später. Im Juli 2013 Herzkatheter und Stent eingebaut. Am 19. August schließlich der ultimative Herzklappenersatz, kurz nach der Prostata-OP am 02. August.
Seit vielen Jahren begleitet mich zudem ein Lungenemphysem, neudeutsch COPD. Meine Atmung war bis vor den kürzlichen OPs bereits um 60 % eingeschränkt und ist aktuell um weitere 15 % reduziert.
Zu meiner geliebten, verschiedenen Prostata: Seit 2008 beobachte ich einen Anstieg des PSA-Wertes. Mein Arzt meinte, das könne was mit Krebs zu tun haben, müsse aber nicht. Bei über 8 meinte er 2010, ich solle vielleicht doch mal einen Urologen aufsuchen. Der erste machte vielsagende Untersuchungen, sagte aber nichts. Außer: „Das kriegen wir schon wieder hin. Nach dem 3. Besuch hatte ich die Nase voll und ging zum zweiten Urologen. Inzwischen hatten sich bereits leichte Inkontinenz und Erektiosstörungen eingestellt. Der zweite Urologe machte eine Stanze, fand aber nichts und erklärte mir stattdessen die „Geschichte mit dem Apfel“: Man könne noch so viel stanzen, aber wenn der Wurm auf der anderen Seite des Apfels sitzt, dann findet man ihn nicht; er wollte ausschaben, ohne eine klare Diagnose zu haben. Da fand ich dann aber, ich sollte lieber einen dritten Urologen aufsuchen. Mit ihm stand innerhalb von 2 Wochen fest, dass ich einen fortgeschrittenen Prostatakrebs habe, der nur noch mit „Da Vinci“ operiert werden könne (, dann hätte ich zwar keine Prostata mehr, aber dafür auch keinen Krebs).
Zwischenbilanz: In Begleitung von 4 Ärzten bin ich über die Jahre weg zu einem ausgereiften Krebs marschiert. Was nützen da eigentlich Vorsorgeuntersuchungen?
Und warum überhaupt Prostatakrebs? Die Prostata war jahrelang chronisch entzündet, ich habe Antibiotika geschluckt, die längst wirkungslos waren – keiner hat’s gemerkt, ich auch nicht.
Seit Oktober 2012 lag ich dann mehr in der Klinik als dass ich zuhause war: Ein harmloser (?) Nabelbruch, wird operiert. 2 Tage nach der Entlassung plötzlich 40 Fieber und ab in die Notaufnahme. Erneute OP. 1 Woche Antibiotika-Behandlung, dann wieder nach Hause. Nächster Eingriff: Stanze. Kaum zu Hause 40 Fieber. Antibiotika-Behandlung in der Klinik und nach Hause. Es folgten 2 weitere Eingriffe mit exakt dem gleichen Ablauf, bis man die Ursache begriff: Die Medikamente wirken nicht mehr! Eine Woche nach der Prostata-OP: 40 Fieber und so weiter … Die Herzklappe war inzwischen so verseucht, dass Antibiotika-Behandlungen vergeblich waren; die Klappe wurde ausgetauscht. Während der OP wurde ich fünfmal wiederbelebt, wenn ich meiner OP-Rechnung glauben darf. Weitere 2 Monate Krankenhaus, Endstation war die Kardiologie, Urologie und Pneumologie waren da Nebensache. Mein kleiner Katheter zuckelte so vor sich hin. Als er unerträglich wehtat, wurde er ausgetauscht, statt entfernt. Das brachte mir noch einen Krankenhauskeim zusätzlich ein und eine Woche Quarantäne.
Mein Urologe fiel aus allen Wolken, als er mich letzte Woche noch mit Katheter sah; er hatte trotz Zusage keinerlei Informationen von der behandelnden Klinik erhalten; mein Pneumologe auch nicht und ebenso wenig mein Kardiologe.
Am Dienstag Katheter raus. Seitdem keinerlei Kontrolle über die Blase. Erster Beckenbodentermin am kommenden Montag. Ich weiß noch nicht, was da auf mich zukommt. Daneben bin ich dreimal die Woche in der Klinik zum Training unter ärztlicher Aufsicht (Konditionsaufbau nach OP). Zudem kommt 4-mal die Woche ein Kine zum Atemtraining – ich habe noch immer sehr viel Schleim in den Bronchien, der sich nur schlecht lösen will. Beschäftigt bin ich wie ein voll Berufstätiger, wie man sieht.
Wenn mich jemand fragt „wie geht es dir?“, dann antworte ich wahrheitsgemäß: „Nicht gut!“ Das erspart mir weitere Rückfragen. Und vom „Wasserlassen“ will sowieso keiner was hören! Das war der Augenblick, indem ich beschloss: Du sucht dir eine Selbsthilfegruppe, Pol! Nun bin ich bei euch gelandet und wünsche mir, dass ich diesem Forum nicht nur eine Last sein werde.
Vielen Dank, dass ihr mir zuhört. Ich werde morgen noch zu den einzelnen Ratschlägen antworten.
Liebe Grüße
Pol