Hallo Matti,
hier - ordentlich in Reihenfolge - die Beantwortung der Fragen
:
Welche Erfahrungen habt ihr mit dem MDK gemacht?
Nach Entlassung aus der Klinik und der daran anknüpfenden Reha erfolgte der Antrag auf Feststellung einer Pflegestufe bei mir bereits während der Reha (um die Versorgung lückenlos fortzuführen da klar war, dass die Behinderung irreversibel ist). Bewilligt wurde beim ersten Anlauf lediglich die Pflegestufe II – trotz der Einwände der mich behandelnden Ärzte/Therapeuten, es läge eine Stufe III vor.
Erst nach 2-maligem Widerspruch (also kurz vor einem Sozialgerichtsverfahren) wurde dann „gönnerhaft“ die Stufe III bewilligt. Hätte man, wie von dem MDK angestrebt, das Ende der Therapie abwarten wollen, hätte sich die Bewilligung 3 volle Jahre hingezogen...
Wie habt Ihr euch auf die Begutachtung vorbereitet?
Es war eine Mitarbeiterin meines Pflegedienstes anwesend, die vorhandene Pflegedokumentation wurde gemeinsam durchgegangen und es erfolgte ebenfalls (zumindest bei den ersten 3 Besuchen) eine körperliche Grunduntersuchung mit Funktionsabfragen (z.B. "Können Sie noch die Hände hinter dem Kopf verschränken?", "Bitte machen Sie mal den Schürzengriff!" oder "Können Sie mit den Händen die Zehen berühren?").
Fühlt ihr euch in die richtige Pflegestufe eingestuft?
Dies kann ich knapp mit "ja" beantworten. Die Pflegestufe III langt aus, um mindestens 2 Besuche für den Morgen und den Abend als auch bedarfsweise Hilfe unter dem Tag zu gewährleisten. Dazu kommt (je nach Arbeitsaufkommen/Nachtschichten meiner Frau) ein Nachteinsatz um mich zu drehen und neu zu lagern.
Wie ist das mit erneuten Begutachtungen?
Die Pflegestufe III wurde anfänglich noch alle 6 Monate überprüft, einmal im Jahr erfolgten auch die Pflegesicherungsbesuche. Inzwischen erfolgt die Entscheidung nach Aktenlage (Kontaktaufnahme mit den behandelnden Ärzten und dem Pflegedienst). Der Pflegesicherungsbesuch erfolgt immer noch ca. 1 x im Jahr.
Wie geht ihr damit um auf andere ein Stück weit angewiesen zu sein?
Diese Frage kann ich so einfach nicht beantworten... die ersten 2 Jahre nach Entlassung aus der Klinik und der Reha - das muss ca. August 1998 gewesen sein - waren furchtbar. Ich konnte weder meinen Körper noch meine Behinderung akzeptieren. Und dann kommen da auch noch jeden Tag Menschen, die einen Schlüssel zu meiner Wohnung haben und mich ständig „antatschen“ müssen! In dieser Zeit hatte ich große Probleme mit meiner Abhängigkeit und damals auch ernsthafte Vorbereitungen für meinen Suizid getroffen (ich war da durchaus einen Schritt weiter als nur das „darüber nachdenken“...). Durch meine Schmerztherapie bin ich zu einer guten Psychologin und einem stationären Aufenthalt gekommen, die mir dann über die suizidalen Phasen hinweg geholfen haben. Ich war unfähig festzustellen, dass ich durch Hilfeverweigerung erst die Hölle geschaffen hatte, in der ich mich wähnte. Lieber habe ich den ganzen Tag in meinen Fäkalien gesessen als um Hilfe zu bitten.
Die darauf folgenden 4 Jahre waren dann für mich die eigentliche Reha. Das Annehmen und Akzeptieren der neuen Begebenheiten, richtiger Umgang mit Rollstuhl und Hilfsmitteln jeglicher „Form und Farbe“, auch die Akzeptanz meines „neuen“ Körpers war mir erst dann möglich und kam nicht von einem Tag auf den anderen. Auch das Annehmen von Hilfe in eben jenem Umfang, wie ich ihn benötige, konnte ich erst da richtig zulassen.
Ich hatte mich in den zwei Jahren davor von fast allen sozialen Aktivitäten selbst isoliert und musste erst wieder neue soziale Kontakte knüpfen.
Mit mir selbst im Reinen bin ich seit ca. 4 Jahren. Heute ist es vollkommen selbstverständlich, einfach mal schnell den Pflegedienst oder Freunde anzurufen, wenn sich in der Tagesplanung was geändert hat und ich doch noch kurzfristig weggehen will oder wenn halt mal „was daneben gegangen ist“. Ich kann mir zwar nicht aussuchen, wer von den Mitarbeitern meines Pflegedienstes mich aufsucht, ich habe aber zu den meisten von ihnen eine gute Beziehung. Der Umgang ist locker und fast schon freundschaftlich und ich habe heute keine Probleme mehr mit der Annahme der angebotenen Hilfen. Im Gegenteil bin ich mehr sehr bewusst, dass ich ohne ihre Hilfe in einem Pflegeheim sitzen würde – und ob mein Betreuungsstandard dort genau so gut ist wie in meiner jetzigen Situation wage ich zu bezweifeln.
Ich liebe meine Freiheit, bin aber auch ein Familienmensch, ich gehe gerne mal weg in Kneipen, ins Kino, sitze dann aber wieder mit gleicher Leidenschaft vor der Glotze oder lese, ich reise gern - mal zieht es mich in warme Gefilde, mal will ich es nordisch-kalt -, ich rauche ca. 20 Zigaretten am Tag und ich trinke gelegentlich gerne einen Whisky, ich habe ein Faible für Bier und gute rustikale Küche... ich lebe - um es kurz zu machen - sehr, sehr gern!!!
Ich habe mitunter auch heute noch „Sch...tage“, wo ich frustriert und wütend bin, dass mir z.B. ein Kugelschreiber unter den Tisch gefallen ist und ich ihn nicht selbst darunter hervorholen kann (eine x-beliebige Situation). Oder, oder, oder... Aber ich denke, ich bilde da keine Ausnahme zum Rest der Gesellschaft. Es gibt eben einfach Tage, wo man sich denkt: „Wäre ich doch bloß im Bett geblieben...“.
In diesem Sinne: Ich lasse
mich noch mal hinlegen...
Grüße
Struppi