Hi Jens,
das Verbindende bei einer möglichen Wirkung von Baclofen ist nicht die gemeinsame zentrale Ursache (=neurologische Krankheit), sondern, dass die Spastik in einem Muskel sein muß, der über eine Nervenleitung angesteuert werden muß, in die Baclofen eingreifen kann.
Bei der Skelettmuskulatur ist das so. Baclofen greift aber nicht an der Schaltstelle zwischen Nerv und Muskel, sondern bereits im Rückenmark an. Die stellt zwar die Hauptwirkung, aber scheinbar nur einen Teil der Gesamtwirkung dar. Weitere Infos dazu habe ich bislang nicht.
Nun kann es ja genau sein, dass wir für das Lösen der Spastik an der Blase einen anderen Teil der Wirkung nutzen.
Deine Interpretation des Beipackzettels ist insofern zu ergänzen, dass der Einsatz bei den neurologischen Erkrankungen richtig ist, aber eben nur(!!!) für Spastiken der Skelettmuskulatur. Für weitere Spastiken, die im Rahmen dieser neurologischen Erkrankungen auftreten können, gibt es keine Zulassung. Erfreulich, wenn es aber doch funktioniert und betroffenen Patienten hilft. Dies sind aber eher Erfahrungswerte die bestimmte Ärzte gesammelt haben und für ihre Patienten nutzbar machen. Mich machte nur stutzig, dass Spastiken bei Parkinsonerkrankten (Sir Otto ist ja einer) explizit ausgeschlossen sind (s. Punkt 5 der Fachinfo). Aber auch dies bezieht sich wohl auf die Skelettmuskulatur. Gerade dieser Punkt sollte aber bei einem Off-Label-Use besondere Beachtung finden. Wenn was schief geht, kommt man in arge Erklärungsnöte.
Ich habe allerdings in einer Leitlinie aus Österreich gelesen, dass die das auch so machen (bei rigidem Sphinkter der Blase). Schon mal ein deutlicher Anhaltspunkt, dass da was dran sein muss/könnte. Wie es hier in D ist, kann ich nicht sagen. Aber ihr habt ja einen Urologen mit im Boot. Er wird mehr Infos haben. Vielleicht ist das ja eine ganz gängige Anwendung, die nur nicht von den Firmen genannt wird.
Für die NW habe ich nicht berechenbar, sondern beherrschbar geschrieben. Und natürlich immer unter Beachtung des Zustandes des Patienten und der einzusetzenden Dosis. Beherrschbar heißt in diesem Sinne: Der Patient kann damit auskommen und wird es, bei entsprechender positiver Wirkung, auch akzeptieren. Einzeln auftretende Probleme müssen aber evtl. gezielt angesprochen werden (z. B. Fahruntüchtigkeit und Gangunsicherheiten).
Fazit: Baclofen ist eine interessante Möglichkeit, Patienten mit o. g. Problemen zu helfen. Dies ist außerhalb der Zulassung des Wirkstoffes, aber es gibt evtl. gute Gründe, es trotzdem zu machen. Es gibt div. Probleme die akzeptiert werden müssen und ggf. mit der Unterstützung von Arzt & Apotheker minimiert werden können. Informationen dazu sind rar bzw. nicht jedem zugänglich. Erfahrungen aus der Praxis sind willkommen.
Servus iPille