Hallo Michael,
MichaelDah schrieb: Hallo Simone,
@all
Ich hadere da ja auch noch mit mir ob ich diesen Weg gehen soll. Der Punkt ist halt, dass es genau die spannende Frage ist, ob durch den GdB in bestimmten Situationen tatsächliche ein Nachteilsausgleich geschaffen wird oder im schlimmsten Fall eher nur ein zusätzlicher Nachteil entsteht...
Kurze Info zu mir:
Gesamt-GdB 80, darunter Einzel-GdB 50 für Prostatavergrößerung, Inkontinenz, Impotenz, Libidostörung; Einzel-GdB 40 für Depression und Einzel-GdB 30 für Teilweise Afterschließmuskelschwäche, Hämorrhoiden, funktionelle Verdauungsstörung + noch ein paar Einzel-GdB mit 10, die allerdings bei der Bildung eines Gesamt-GdB keine Berücksichtigung finden.
Ich bin übrigens voll berufstätig.
Ob man einen GdB beantragt, bleibt jedem natürlich selbst überlassen. Ich möchte jedoch ein Plädoyer PRO Beantragung vortragen:
1. Man erhält steuerliche Abzugsmöglichkeiten. Neben den Pauschbeträgen, je GdB, gibt es weitere Kosten, die man von der Steuer absetzen kann, z.B. Dank des GdB 80 kann ich die tatsächlichen Fahrtzeugkosten zur und von der Arbeitsstätte von der Steuer absetzen. Da ich einen weiten Arbeitsweg habe, sind das über 10.000€ im Jahr. Da ich mit meinem o.g. Problemen keinen ÖPNV nutzen (möchte), ist das eine enorme Erleichterung und ist ein Baustein, warum ich überhaupt noch im Job bleiben kann. Ich kann mein Privatfahrzeug quasi fast komplett steuerlich geltend machen. Außerdem erhält man ab einem GdB 80 noch einen Pauschbetrag für Behinderungsbedingte Fahrten z.B. zu Ärzten (900€ im Jahr)
2. In großen Firmen gibt es oftmals Inklusionsvereinbarungen, für die man gleichgestellt oder schwerbehindert sein muss. Dank unserer firmenseitigen Inklusionsvereinbarung habe ich bspw. ein Recht auf Home Office, was die Diskussion mit dem Chef sehr einfach gemacht hat. Auch bin ich von Überstunden und Nacht-/Wochenendarbeit freigestellt und darf bis zu 3 Tage im Jahr freimachen, ohne Urlaub nehmen zu müssen, um Arzttermine wahrnehmen zu können.
3. Man hat einen verbesserten Kündigungsschutz (man ist zwar nicht unkündbar, aber es gibt hohe Hürden)
4. Im Betrieb kann man neben dem Betriebsrat auch die Schwerbehindertenvertretung einbinden, falls es mal Konflikte mit dem Chef gibt.
5. Du kannst 2 Jahre früher in Rente gehen, ohne Abzüge. In großen Firmen gibt es manchmal weitere Regelungen wegen Altersteilzeit, bei uns bspw. dürfen SB-Mitarbeiter statt einem Maximum von 5 Jahren ATZ sogar 7 Jahre ATZ nehmen!
5. Wenn du dich irgendwo bewirbst, gibt es keine Verpflichtung, den SB-Status anzugeben. Das bleibt komplett dir überlassen. Du wirst also bei Bewerbungen nicht stigmatisiert, wenn du da Bedenken hast.
6. Im Alltag gibt es mit SBA oftmals Vergünstigungen für Kino, Museumseintritte, Theatereintritte usw.
7. Du hast 5 Tage mehr Urlaub pro Jahr
8. + vermutlich gibt es noch viele weitere Gründe, den SBA zu beantragen
Fazit:
Wie Matti schreibt, darf man die vermeintlichen Vorteile nicht als Vorteile begreifen. Durch meinen körperlichen "Verfall" kann ich vieles nicht mehr so machen, als ich noch Gesund war. Die finanziellen Aspekte machen das Leben im Alltag leichter. Dadurch das unser Haushalt etwas mehr Geld verfügbar hat, können wir uns als Familie auch mal einen größeren Urlaub leisten, was der allgemeinen psychischen Lage sehr hilft (Genauso wie die 5 Tage Urlaub). Da es für mich dennoch ein Kampf ist, im Job zu bestehen, bin ich froh, dass ich ein paar Jahre früher in Rente gehen kann, ohne Abzüge hinzunehmen. Wenn ich mal etwas weniger oder gar keinen Eintritt zahle, begreife ich das nicht als Vorteil, wie oft musste ich vorzeitig gehen, weil ich ungewollten Stuhlverlust hatte. So ist der finanzielle Schaden zumindestens etwas geringer.
Sollte der gewünschte GdB nicht rauskommen, empfiehlt sich IMMER in den Widerspruch zu gehen. Ich konnte in meinem Widerspruchsverfahren den GdB von 60 auf 80 steigern! Die Mitgliedschaft im VDK oder eine Rechtschutzversicherung ist zu empfehlen!
Generelle Tipps zu Beantragung:
1. Ärzte schreiben immer nur ihre Diagnosen auf, ohne auszuführen, wie sich das in deinem Alltag auswirkt. Das ist aber entscheidend für den GdB, denn es geht um Nachteilsausgleiche! Nötige deinen Arzt dazu, auch die Auswirkung deiner Behinderung darzustellen!
2. Ich habe immer eigene Stellungnahmen beigefügt, bei denen ich meinen Alltag aus meiner Sicht beschrieben habe. Das habe ich dann von meinem Arzt bestätigen lassen
3. Alles angeben, auch "Kleinigkeiten", man weiß nie, was dabei rauskommt. Ab einem Einzel-GdB von 20 wirkt der einzelne Sachverhalt erhöhend auf den Gesamt-GdB. Die Berechnung ist zwar etwas kompliziert, man kann aber als Grundsatz sagen: Höchster Einzel-GdB voll + die 1/2 jedes weiteren Einzel-GdB ab 20. Kommt eine krumme Zahl bei raus, wird abgerundet (z.B. 85 auf 80).
4. Hat man erstmal den SB-Status sollte man sich gut überlegen, ob man später einen Erhöhungsantrag stellt. Ein solcher ist immer wie ein Neueintrag, d.h. es wird alles neu bewertet, auch die "alten" Sachverhalte. Durch den medizinischen Fortschritt kann es bspw. zu einer Abwertung kommen, früher war Diabetes eigentlich immer GdB 50, mittlerweile allerdings nicht mehr (automatische Insulinpumpen etc.) Wenn man dann kurz vor Renteneintritt einen neuen Bescheid mit einem GdB unter 50 bekommt ist das sehr ärgerlich, weil dann der frühere Renteneintritt nicht mehr möglich ist.
Deswegen keine Scheu vor der Beantragung, es ist halb so schlimm! Ich musste übrigens keine Begutachtungen durchführen lassen, es wurde alles nach Aktenlage und meinen Stellungnahmen genehmigt.
Grüße
Stephan