Hallo Jonas,
zunächst einmal wünsche ich Dir, dass Du nicht in Panik gerätst, sondern mit der gleichen Geduld und Ruhe, mit der Du den Diagnosemarathon durchlaufen hast weiter machst. Auch wenn es nun nicht sofort den silbernen Streif am Horizont gibt geht das Leben weiter.
Vielleicht kommt der silberne Streif später, aber darfst Dich deshalb nicht eingraben, sollst Du auch nicht.
Deshalb empfehle ich Dir zweigleisig zu fahren:
Zunächst hast Du ein Problem mit der Inkontinenz, dass Du nicht sofort lösen kannst, dass Dich aber behindert und bremst. Deshalb würde ich als erstes nach Lösungen suchen, die Dir zunächst das zumindest teilweise das unbeschwerte Leben und die Teilnahme am gesellschaftlichen Treiben ermöglichen.
Inkontinenzhilfsmittel gibt es sehr viele (Analtampons, Inkontinenzschutzhosen Irrigation etc.), welche aber für Dich hilfreich und praktikabel, sicher und bezahlbar sind, dass musst Du nach einer Beratung durch den Arzt, der Kontinenzberatung machen kann und durch eigene Versuche herausfinden.
Es wird für Dich auch Rückschläge und Unfälle geben. Aber mit der Zeit gewöhnt man sich daran.
Solange es nicht weh tut geht fast alles.
Unfälle sind immer möglich, niemals schön, meistens peinlich, aber die vergehen auch. Mich hat es immer am meisten bewegt, was passiert, wenn mich jemand enttarnt und erkenn, was los ist.
Bislang, also seit einigen Jahren, ist das aber nicht passiert. Und wenn es doch einmal passiert, dann nimm es hin, Du kannst es sowieso nicht zurückdrehen und ungeschehen machen.
Am besten besorgst Du Dir einen Euro-Schlüssel für die Behindertentoiletten, den bekommst Du mit einem formlosen Attest von Arzt, das wirst Du ja haben.
So war es auch bei mir, denn als ich die Inkontinenz bekam, war die erste Pflicht zu verhindern, dass ich in der Öffentlichkeit etwas verliere. Dann die damaligen Schmerzen los zu werden und dann kam die Stuhlinkontinenz dazu, die war aber anfangs recht selten, erst mit Corona wurde das heftiger, aber wenn Du erst mal ein wenig Erfahrung und Praxis mit Deinen Hilfsmitteln hast, wird es leichter und man kann auch mal auf etwas anderes schauen.
Dann, wenn Du das Erste im Griff hast, kannst Du Dich auch schon parallel um Diagnose und Besserung kümmern.
Das liegt alles in anderen Händen, Du wirst sicher neue Ideen haben, neue Leute kennenlernen und auch neue Möglichkeiten, die Dir helfen. Aber man kann da nichts erzwingen. Es kommt oder nicht.
Ich habe nach der ersten Stuhlmiktion lange gebraucht um mich zu fangen. Aber es ging. Wenn man im Leben steht und vielleicht sogar eine feste Beziehung hat geht das leichter. Vielleicht hast Du jemanden, bei dem Du Dir das alles von der Seele reden kannst.
Ich habe eine alte Schulfreundin, die im Rolli sitzt und auch inkontinent ist. Wir haben uns mal gegenseitig anvertraut, wie s uns so geht. Seitdem erzählen wir uns ab und zu was wie passiert ist.
Das soll Dir zeigen, wie man damit vielleicht umgehen kann und dass das Leben dennoch schön und voll Sonne sein kann.
Bekommst Du das auch hin?
Gruß
Paulchen