Lieber Matti
Vielen Dank für den langen und ausführlichen Input.
Du hast recht, ich muss aufpassen, hier den ISK nicht in einem zu schlechten Licht zu präsentieren. Es gibt ohne Zweifel sehr viele Betroffene, bei welchen ISK die Lösung für die Entleerungsprobleme ist, eine Verbesserung der Lebensqualität ermöglicht und die Nieren schützt. Allerdings ist es nicht so, dass ich mit ein Ausnahmefall bin, was ISK und Harnweginfekte angeht. In einer Studie (
pmc.ncbi.nlm.nih.gov/articles/PMC9135430/
) mit Querschnittspatienten hatten je nach Definition des Harnweginfekts 14-45% der Betroffenen innerhalb von drei Monaten nach Beginn des ISK einen Harnweginfekt. Gemäss einer anderen Studie (
pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/35332597/
) hatten 55% der untersuchten Patienten, welche wie ich eine neurogene Blasenstörungen haben, im Jahr mindestens einen Harnweginfekt. Ich möchte damit den ISK keinesfalls verteufeln, es ist ein sehr wichtiger Goldstandard für die Behandlung von Entleerungsstörungen. Nur sind Harnweginfekte beim ISK ein Problem, entsprechend steht in einer der Publikationen auch als Schlussfolgerung, dass die Reduktion von HWIs bei Betroffenen, welche ISK durchführen, dringend sei. Auch dass Coloplast mit dem Luja-Katheter versucht, die Anfälligkeit auf HWIs zu reduzieren, ist für mich ein deutliches Zeichen in diese Richtung.
Bei mir ist die Situation leider sehr extrem. Würde ich nur 1-2 Mal im Jahr Harnweginfekte haben, so könnte ich damit leben. Aber wie ich in anderen Beiträgen geschrieben habe, braucht es wenig Zeit, bis ich beim Katheterisieren einen Infekt habe. Die letzten Infekte waren so übel, dass ich hohes Fieber hatte, und ohne Antibiotika nichts zu machen war. Für den Bakteriennachweis wurde jeweils eine Urinprobe im Labor untersucht, und die Resultate waren sehr deutlich. Weshalb es gerade bei mir so extrem ist, weiss ich nicht. Ich bin deswegen auch etwas verzweifelt, weil eine Verbesserung oder Kontrolle meiner Blasenentleerungsstörung stark davon abhängt, dass ich ISK machen kann (oder man müsste einen SPK legen). Vor einigen Monaten hatte ich das Gefühl, dass ich wenig Restharn habe, nun scheint sich die Situation wieso auch immer verschlechtert zu haben. Wenn ich ISK machen könnte, würden mich solche Schwankungen nicht gross beunruhigen. Mittlerweile empfinde ich die schwere Harninkontinenz verglichen zur Unsicherheit beim Restharn und zur insgesamt gestörten Entleerung als das kleinere Übel. Manchmal spüre ich vor dem Schlafengehen, dass die Blase voll sein muss, spüre sogar etwas Harndrang, aber auf der Toilette kommt rein gar nichts raus. Am nächsten Morgen ist dann das Hilfsmittel geflutet. Das ist ziemlich frustrierend und beunruhigend.
Ohne ISK hatte ich bin anhin noch nie einen Harnweginfekt, insofern ist die Situation bei mir ziemlich eindeutig und ich sehe auch kein Risiko für meine Darmuntersuchung, wenn ich mich nicht katheterisiere.
Du bekommst nicht vom ISK eine Harnwegsinfektion, sondern aus bisher nicht bekannte Gründen, bei der Durchführung des ISK.
Für mich ist die Durchführung des ISK identisch mit dem ISK selbst. Was die Harnweginfekte schlussendlich auslöst, ist unklar, aber ich bin mir zu 99% sicher, dass ich bei der Handhabung nichts falsches mache. Mehrmals habe ich mich von verschiedenen Fachkräften einweisen lassen, bin von meinem beruflichen Hintergrund gewohnt, hygienisch sauber zu hantieren, und der Prozess ist ja auch denkbar einfach; viel falsch machen kann man da ja gar nicht. Aber meinem Verständnis nach ist nichts ganz frei von Bakterien, weder der Katheter, den man einführt, noch der Harntrakt. Jeder von uns hat Bakterien in der Harnröhren, in der Blase oder in den Genitalien. D.h., jede Person, die sich katheterisiert, führt automatisch Bakterien durch den Harntrakt in die Blase ein.
Deshalb ist meine Ärztin zum Beispiel der Meinung, dass es wichtig ist, sich regelmässig zu katheterisieren, damit die eingeführten Bakterien keinen Infekt auslösen können. Ich, auf der anderen Seite, hatte lange Zeit den Eindruck, dass ich den Harnleiter mechanisch reize. Jede mechanische Reizung oder Verletzung kann zu einer bakteriellen Entzündung führen, zumal sich der entzündete Bereich erwärmt, was die Bakterienvermehrung fördert. Meine Vermutung basierte darauf, dass ich zwischendurch einige nicht-bakterielle Entzündungen hatte; d.h. der Urin war rein, nur hatte ich Brennen beim Wasserlassen. Ebenfalls spüre ich beim Ein- und Ausführen des Katheters fast nichts, was natürlich nicht ideal ist. Es tut nicht weh, wenn ich mit der Katheterspitze gegen den verkrampften Blasenschliessmuskel stosse, ich spüre nur einen erhöhten Widerstand. Für mich waren dies mögliche Erklärungen für eine mechanische Reizung. Mittlerweile bin ich mir aber nicht sicher, ob meine erste These stimmt. Deine These mit den Hilfsmitteln finde ich an sich recht schlüssig, ich frage mich nur, ob ich dann nicht auch ohne ISK ab und zu Harnweginfekte haben müsste. Einmal versuchte ich, nach dem ISK die Blase mit sterilem Wasser zu spülen, aber das machte alles nur schlimmer. Daneben dürften meine Autoimmunkrankheit und meine etwas trabekulierte Blase nicht nicht förderlich sein.
Wie gesagt bin ich derzeit ratlos und auch etwas mutlos, Ich warte jetzt mal die Darmuntersuchung ab und werde dann mit meiner Ärztin einen neuen Versuch besprechen. Das letzte Mal ging es ja einen ganzen Monat lang gut. Für das derzeitige Problem sehe ich am ehesten die Lösung, den Beckenboden medikamentös und mit Übungen zu entspannen. Ich habe bereits meine Ärztin kontaktiert.
Herzliche Grüsse
Martin