Hallo Jonasi,
vielleicht auch noch ein paar Anmerkungen von meiner Seite - die hier (noch?) nicht in dem Artikel stehen:
Der Regelweg: Verordnung und Rezepteinlösung
- Grundsätzlich muss der Arzt nur ein Rezept für ein ableitendes oder aufsagendes Hilfsmittel ausstellen.
- Bei der Krankenkasse muss erstmal nichts beantragt werden.
- Mit diesem Rezept wendest du dich einen einen „Versorger“ der von der Krankenkasse akkreditiert ist. Welche Versorger das sind erfährst du i.d.R. auf der Web Seite der Krankenkasse oder du rufst bei deiner Krankenkasse einfach an und fragst.
- Der Versorger berät dich bei der Auswahl des Hilfsmittels und wird dir Muster zur Verfügung stellen die du ausprobieren kannst
- Am Ende obliegt es dem Versorger mit dir zu entscheiden welches Hilfsmittel am ende das richtige ist. Was der Arzt sonst noch auf das Rezept geschrieben hat ist das grundsätzlich nicht relevant - denn sowohl die Menge als auch das Hilfsmittel selbst soll in der Beratung mit dem Versorger ermittelt werden
Wichtig hier: Bitte den Versorger dir
zuzahlungsfreie Hilfsmittel zur Probe zur schicken. Wenn das wie oben beschrieben geklappt hat, dann ist alles Prima und du wirst zügig deine Versorgung erhalten. Das funktioniert i.d.R. gut wenn eine mittlere Inkontinenz vorliegt.
Was kann schief gehen?
Der Versorger ist ein gewinnorientiertes Unternehmen und er verdient nur solange Geld wie sich die gelieferten Hilfsmittel mit dem Krankenkassen Satz (die erwähnten durchschnittlichen 17€) bezahlen lassen oder darunter liegen. Er wird also das für ihn profitabelste Produkt anbieten. Wenn es kein Produkt gibt was die notwendigen Anforderungen des Patienten erfüllt wird er entweder eine „wirtschaftliche Aufzahlung“ verlangen oder die Versorgung ablehnen. Warum diese Vorgehensweise nicht ganz rechtmäßig ist, ist ja in dem Artikel schon nachzulesen. Defakto kümmert das aber weder die Krankenkasse noch den Versorger denn beide profitieren im Zweifelsfall davon wenn der Patient selber zuzahlt.
Lohnt es sich dann überhaupt die Versorgung in Anspruch zu nehmen?
Die Frage ist nicht einfach zu beantworten - denn das hängt zum einen stark vom eigenen Geldbeutel und zum anderen von der eignen Motivation ab da etwas gegen zu tuen. Auf jeden Fall sollte man - wenn man hier nicht mehr machen will die Angebote vergleichen. Die können zwischen den Versorgern sehr unterschiedlich sein. Wenn ein Versorger nichts vernünftiges anbietet bedeutet das nicht, dass ein andere nicht doch ein geeignetes Produkt im Angebot hat.
Wenn man verschieden Angebote von den Versorgern hat sollte man in jedem Fall auch einen Preisvergleich mit anderen Anbietern machen (Medizinfuchs ist da ein gutes Preisvergleichsportal). Ich habe erlebt, das mein damaliger Hilfsmittellieferant (bevor ich das über die Krankenkasse bezahlen ließ) billiger war als der Versorger der Krankenkasse mit wirtschaftlicher Aufzahlung.
Meine Erfahrung ist auch, das es oft erfolgversprechender ist sich von den Hilfsmittelherstellern selbst versorgen zu lassen. Fast alle Krankenkassen haben mit den großen Herstellern Verträge und oft ist dort auch die Beratung besser als bei der Apotheke nebenan.
Was kann ich tuen wenn ich keine wirtschaftliche Aufzahlung leisten will?
Der Weg ist etwas anstrengender aber möglich - denn wie in Matti’s Artikel ja steht, gibt es einen Rechtsanspruch. Das wissen die Krankenkassen natürlich auch - nur verraten sie das nicht. Die Hilfsmittelrichtlinie sieht eine Ausnahme für den oben beschriebenen Weg der Verordnung vor: Die begründetet Direktverordnunug durch den Arzt. Damit das funktioniert musst du zum einen genau wissen was du brauchst und zum anderen sollte dein Hilfsmittel in der Hilfsmitteldatenbank der Krankenkassen enthalten sein.
Der Weg funktioniert wie folgt:
- Du bittest deinen Arzt ein Rezept auszustellen, das nicht nur die Hilfsmittel Art sondern das konkretet Hilfsmittel + Mengenangabe rezeptiert und das am besten als Dauerrezept für ein Jahr.
- Du bittest deinen Arzt ein Attest zu schreiben, das erklärt warum nur diese Hilfsmittel medizinisch und wirtschaftlich sinnvoll ist (in der Regel ist es einfacher diese Begründung selber zu schreiben und das dem Arzt als Vorlage zu geben - siehe nächster Punkt)
- Das Rezept + Attest reichst du zusammen mit einer Einzelbeantragung für das Hilfsmittel (kann i.d.R. formlos sein) bei deiner Krankenkasse ein.
- Die Krankenkasse entscheidet dann i.d.R. unter Zuhilfenahme des MDK über deinen Antrag
- Wenn der Antrag positiv beschieden wird übernimmt die Kasse die Mehrkosten und wird dir dann einen Lieferanten nennen
Was muss in dem Attest / der Begründung stehen?
Das ergibt sich wieder aus dem von Matti erwähnten Gesetzten. Eine Versorgung muss medizinisch begründet, sinnvoll und wirtschaftlich sein. Am einfachsten funktioniert die Argumentation über die Begriffe „sinnvoll“ und „wirtschaftlich“ - hier ein paar Beispiele :
- Wenn dir drei Versorger mehrere zuzahlungsfreie Hilfsmittel überlassen haben und nach deren _korrekten_ Anwendung die Hose leider immer noch nass war, dann sind die angebotenen Hilfsmittel nicht sinnvoll und du hast deine Pflicht dich als Versicherter Beraten zu lassen erfüllt.
- Wenn das Hilfsmittel zu oft gewechselt werden muss um ein Auslaufen zu verhindern (z.B. stündlich) ist es möglicherweise auch unwirtschaftlicher als ein Hilfsmittel das z.B. nur alle vier Stunden gewechselt werden muss aber etwas teurer ist.
- Wenn durch die zuzahlungsfreien angebotenen Hilfsmittel z.B. Hautreizungen oder Scheuerstellen entstehen ist das Hilfsmittel aus medizinischer Sicht als ungeeignet anzusehen.
Was ist wenn die Kasse den Antrag ablehnt?
Wenn das Attest gut begründet ist, wird das i.d.R. nicht passieren. Sollte es doch mal passieren ist es wichtig den Grund der Ablehnung zu erfahren. Wenn der MDK abgelehnt hat dann war die Begründung nicht gut oder eine Untersuchung durch den MDK hat ergeben, dass die Vorderung unbegründet war. In diesem Fall wird es schwierig.
Sollte die Krankenkasse aber entgegen der Begutachtung durch den MDK selbst entschieden haben abzulehnen ist die Sache sehr einfacher. In dem Ablehnungsschreiben muss eine Rechtsmittelbelehrung stehen. Wenn sich die Krankenkasse über den MDK hinwegsetzt reicht als Begründung ein Verweis auf die gutachterliche Stellungnahme des des MDK aus. Wenn die Kasse dann immer noch nicht einlenkt hilft ein Eilantrag beim dem zuständigen Sozialgereicht. Da hier ja bereits eine gutachterliche Stellungnahme von offizieller Stelle vorliegt wird das Gericht i.d.R. immer gegen die Kasse entscheiden.
Auch Wichtig: Alle Rechnungen für verauslagte Hilfsmittel ab Antragstellung aufheben. Die Kasse hat vier - b.z.w. sechs Wochen bei Einschaltung des MDK Zeit zu reagieren - versäumt sie die Frist gilt der Antrag automatisch als (vorläufig) genehmigt. In diesem Fall muss sie alle entstandenen Hilfsmittelkosten ab dem Zeitpunkt der Genehmigung ersetzten. Gleiches gilt auch bei einer Genehmigung aber Lieferverzug. In beiden Fällen kann man die Kosten der Kasse mit Hinweis auf die Genehmigung in Rechnung stellen und sie ggf. bei Nichtzahlung (Zahlungsziel nicht vergessen anzugeben…) in Verzug setzten.
ich hoffe das hat wenigstens einige Fragen Beantwortet
viele Grüße
Michael