Mein Beitrag ist lang, aber mit Sicherheit wert einmal gelesen zu werden.
Lieber Hannes,
deine Befürchtung im letzten Absatz deines Postings ist bereits Realität.
Siehe:
www.aerztezeitung.de/politik_gesellschaf...herte-loswerden.html
Ich stimme dir in fast allen Punkten deiner Aussagen zu, außer beim Bereich Pflegepersonal. Hier werden mitunter menschenunwürdige Bedingungen an das Pflegepersonal gestellt und niedrigste Bezahlungen für eine Tätigkeit erbracht, die für die körperlichen und psychischen Belastungen eines Pflegenden völlig unangemessen sind. Das "kleinste Glied" in der Kette sind neben dem zu Pflegenden nicht selten auch der oder die Pflegenden.
Ich weiß aber, dass du dies auch so siehst.
Ich habe ein wenig Einblick in die Zahlen einer Behinderteneinrichtung. 3000 Euro sind in der Regel nicht kostendeckend, für die Pflege eines Schwerstpflegebedürftigen. Dies mag viel klingen, ist es aber nicht.
Ich habe mich schon selbst mehrfach in der erwähnten Einrichtung aufgehalten.
Dort gibt es Putzfrauen, Köche, Hauswirtschafterinnen, einen Sozialdienst, Freizeitgestalter, Physiotherapeuten, Ergotherapeuten, Logopäden, Pflegepersonal, Heilerziehungspflege, technische Geräte zur Rehabilitation, behindertengerechte Fahrzeuge, einen Hausmeister, ein Gebäude inkl. Einrichtung, Verwaltungsangestellte usw.
33 Betten hat dieses Haus. Vergess nicht dass du in der Regel ausschließlich das Pflegepersonal siehst, im Hintergrund aber noch viele, viele weitere Personen tätig sind, die dafür natürlich auch entlohnt werden wollen, müssen.
Es muss mehr Geld in das System, damit es eben nicht dazu kommt das man sein karges Leben in einem 18qm großen Zimmer auch noch mit einer zweiten Person teilen muss.
@Karlchen
Der PSA Test ist zur Ermittlung eines potenziellen Risikos oder zur Diagnosestellung umstritten. Hier hast du recht. Bei einer diagnostizierten Krebsdiagnose dient er aber zur Verlaufskontrolle. Dies ist ein großer Unterschied und wird deshalb auch unterschiedlich vom Kostenträger behandelt.
Zum Thema Hartz4
Nein, ich habe nicht das Vorurteil, dass alle ALG2 Bezieher faul sind. Es gibt aber eine ganze Menge darunter, auf die dieses (Vor-) Urteil zutrifft. Die Ungerechtigkeiten die beispielsweise einen 55 Jährigen treffen, der aufgrund der Insolvenz seines Arbeitgebers in diese Situation gerät sind mir bewusst.
Ich habe mit 15 Jahren meine Ausbildung zum Kaufmann im Einzelhandel begonnen (letztes Jahr also vor 25 Jahren). Ich war erfolgreich in meinem Beruf und habe es immerhin bis zum Abteilungsleiter eines großen Möbelhauses geschafft. Ich habe sehr gut verdient.
Mit 31 Jahren hat meine Erkrankung solch gravierende Auswirkungen gehabt, dass ich nicht mehr arbeitsfähig war. Ich musste (nicht wollte) in Rente gehen. Mein guter Verdienst führte dazu, dass ich für mein Lebensalter eine recht gute Rente (im Vergleich zu Personen die 45 Jahre und mehr gearbeitet haben) erhalte. Dies sind im Monat 846 Euro Netto.
Sozialhilfeanspruch rechnet sich aber nicht nach dem Netto, sondern nach dem Brutto. Somit bin ich mit meiner Bruttorente einiges über dem Anspruch auf Sozialhilfe. Ich liege zwar Netto 4 Euro unter dem Betrag von 850 Euro Grundsicherung, aber für die 4 Euro mache ich bestimmt kein Fass auf.
Die Folgen der Sozialhilfeabhängigkeit werden in einem anderen Thread dieses Forums (Vermögensbildung maximal bei 2600 Euro) gerade diskutiert.
Jetzt frage ich dich, soll ich pauschal mit einem Hartz4 Empfänger mitfühlen? Mit dem Ein oder Anderen ganz sicher, mit der breiten Masse allerdings nicht (ganz persönliche Meinung, aus meiner beschriebenen eigenen Situation aber vielleicht verständlich). Die meisten Hartz4 Empfänger leben wesentlich besser als ich.
Zahl der Inkontinenz-Betroffenen
Die Zahl der Inkontinenter in Deutschland ist mit sechs bis acht Millionen Betroffenen sehr realistisch. Natürlich gibt es keine Meldepflicht und zudem eine hohe Dunkelziffer, die noch nie einen Arzt aufgesucht haben. Deshalb zieht man für die Berechnung der Anzahl Betroffener ganz einfach den Absatz/Umsatz der Hilfsmittelindustrie zu buche.
Hier werden Hilfsmittel für eben genau sechs bis acht Millionen Betroffene pro Monat in Deutschland verordnet bzw. verkauft. Windelfetischisten müsste man wohl noch abziehen, dies dürfte aber an der Zahl der Betroffenen nicht wirklich so viel ändern.
Wenn es eine „Inkontinenten-Lobby“ gäbe, hätten wir ganz viele unserer Probleme nicht! Wir haben keine Lobby und genau dies ist das Problem.
Situation in Deutschland:
Deinen Vergleich mit den Gesundheitssystemen von Timbuktu und Hintertupfingen finde ich sehr zynisch (nun mach dies nicht an dem Wort zynisch fest, alles ist gut).
Unbestritten wirst du wohl zustimmen, dass Deutschland eines der reichsten Länder der Erde ist.
Ungerechtigkeiten entstehen auch durch den allgemein hohen Lebensstandard in Deutschland, der natürlich Probleme erzeugt, die in vielen Teilen der restlichen Welt Luxusprobleme wären.
Vielleicht kennst du dieses Gleichnis mit: „Wenn die Welt ein Dorf mit 100 Einwohner wäre“.
Es zeigt sehr deutlich in welchem Wohlstand wir in Deutschland leben und das unser „Jammern“ auf extrem hohem Niveau stattfindet.
Beispiele:
80 von den 100 lebten in maroden Häusern
70 wären Analphabeten
50 würden an Unterernährung leiden
1 wäre dabei zu sterben
1 wäre dabei geboren zu werden.
22 hätten keinen Zugang zu Trinkwasser
ebenfalls 22 hätten keinen Anspruch/Zugang zu medizinischer Grundversorgung,
1 ja, nur einer hätte einen Universitätsabschluß.
Nun kann man 7 Mrd. Erdbevölkerung auf 100% rechnen und die angegebenen Zahlen der Dorfbewohner zeigen sehr deutlich das Milliarden Menschen auf diesem Planeten sich um unsere Fragen gar nicht kümmern würden, weil es um exentielles bei diesen Menschen geht. Ein Vergleich zu den nordischen Ländern Europas ist deshalb aus meiner Sicht nur sehr bedingt gerechtfertigt, so mal unser „Reichtum“ nicht selten auf der Ausbeutung anderer Menschen basiert (siehe Textilproduktion in Bangladesch).
Wenn Du heute Morgen aufgestanden bist und eher gesund als krank warst, hast Du ein besseres Los gezogen als die Millionen Menschen, die die nächste Woche nicht mehr erleben werden.
Wenn Du noch nie in der Gefahr eines Krieges, in der Einsamkeit der Gefangenschaft, im Todeskampf der Folterung oder im Schraubstock des Hungers warst, geht es Dir besser als 500 Millionen Menschen.
Wenn Du zur Kirche gehen kannst ohne Angst haben zu müssen bedroht, gefoltert oder getötet zu werden, hast Du mehr Glück als 3 Milliarden Menschen. Wenn Du Essen im Kühlschrank, Kleider am Leib, ein Dach über dem Kopf und einen Platz zum Schlafen hast, bist du reicher als 75% der Menschen dieser Erde.
Wenn Du Geld auf der Bank, in Deinem Portemonnaie und im Sparschwein hast, gehörst Du zu den privilegiertesten 8% dieser Welt.
Ich halte mich für Privilegiert, was kein Widerspruch zu meinen eigenen Problemen ist.
Zu guter Letzt:
Viele Probleme! Nur, wie können wir diese angehen? Haben wir eine Chance? Ach..da ist ja das WIR wieder! Ja, WIR müssen etwas ändern, sonst werden wir geändert.
Wir, also eine Handvoll Mitglieder in diesem Verein, haben jahrelang gegen die ungeheuren Ungerechtigkeiten beispielsweise in der Hilfsmittelversorgung gekämpft. Mit dem Gesundheitssystem und der Politik im kritischen Dialog gestanden. Nur
IHR (die Betroffenen allgemein, nicht du als Person) waren nicht willens unseren „Kampf“ zu unterstützen und letztlich auch durch eine Mitgliedschaft zu finanzieren, vielmehr aber noch zu legitimieren.
Gejammert und geklagt wird schnell, angepackt und engagiert wenig (auch dies ist nicht an dich persönlich gerichtet).
So long
Matti