Hallo Waldemar,
eigentlich hätte ich schon eher auf deine sehr informativen und hilfreichen Beiträge antworten sollen/müssen. Weil sich bei mir jedoch als Unruheständler so einiges ansammelte und sich leider nichts selbst erledigt hat, bin ich nach der Beilegung der üblichen Schuldigkeiten bzw. Verpflichtungen meist erst nach 22 Uhr an der Tastatur, aber so müde und unkonzentriert, dass ich es vor herschob, denn wenn es gut geht ist gegen 5 Uhr die Nacht für mich zu Ende. Außerdem muss ich eingestehen, dass mir das Schreiben nicht so liegt und ich jeden Vorwand nutze um es zu vermeiden, lieber leg ich eben als Handwerker selbst Hand an.
Zu deiner hier angesprochenen Thematik habe ich jedoch selbst einige Erfahrungen gesammelt und kenne mich ein wenig darin aus, sodass ich versuche werde darauf zu antworten.
Durch mehrfache Komplikationen mit nachfolgenden 12 chirurgischen Korrekturen nach der Prostatektomie vor nunmehr 20 Jahren verstärkte sich die Inkontinenz auf den höchsten Grad, auch das Implantat brachte keine Verbesserung.
Von den behandelnden Ärzten wurden, wie allgemein üblich, ausschließlich aufsaugende Hilfsmittel empfohlen und verschrieben.
So schlug ich mich mehr schlecht als recht in meiner Tätigkeit als Selbständiger im Außendienst für verschiedene Unternehmungen der Textilindustrie mit oft doppelten und dreifachen Windelpaketen von Firmenbesuch zu Firmenbesuch durch. Damit bei längeren Aufenthalten keine Peinlichkeiten entstehen konnten, wurden nur schwarze Hosen mit rauer Oberfläche getragen. Es war eine sehr belastende Zeit, nicht nur physisch sondern auch psychisch, weil immer damit gerechnet werden musste, dass das Aufnahmevermögen der aufsaugenden Hilfsmittel nicht ausreichte. Hinzu kamen noch die Hautirritationen, die bei notwendigen Bewegungen die Haut so weit belasteten, dass rohes Fleisch hervortrat.
Die Krise im Textilsektor kam 1999 gerade recht, sodass der Absprung nicht schwer viel und ein Platz in der Asbestentsorgung (auch ein Minenfeld, wie von dir auch benutzt) auf einer speziellen Deponie gern angenommen wurde. Hier ließ sich die Inkontinenz trotz des über 120 km langen Anfahrtsweges besser händeln.
Nach wiederholten Bandscheibenvorfällen und weiteren gesundheitlichen Problemen kam für mich aufgrund der Begutachtung des Medizinischen Dienstes der Krankenkassen das berufliche Aus.
Erst als ich hier vor über drei Jahren im Forum landete, habe ich nähere Informationen zum Kondomurinal erhalten. Durch die ausführlichen Beschreibungen von Eckhard 11 war ich in der Lage, entgegen der Meinung und Widerstandes der Urologen, die ersten Teste mit dem ableitenden System durchzuführen. Nach etlichen Versuchen, hatte ich die für mich geeignete Lösung gefunden, von der ich seit drei Jahren begeistert bin. So bin ich in der Lage nahezu unbeschwert alle Alltagstätigkeiten bewältigen; sowohl im stehen, laufen, bücken, knien…
Dazu wurden die angeboten Artikel etwas modifiziert und zur Vermeidung von Plastikabfall (über 50 Millionen Tonnen landen jährlich ins Meer) die Auffangbeutel nach gründlicher Reinigung mehrfach benutzt. Der damit verbunden Mehrverbrauch an Trinkwasser wird durch eine einfache technische Einrichtung mehr als kompensiert.
Weil die Fallzahlen zu gering sind, wurde diese Variante nicht von den Herstellern übernommen.
Es bleibt nur zu hoffen, dass durch meinen geringen Materialverbrauch (auch die Befestigungselemente werden selbst gefertigt, weil die angebotenen Artikel für eine körperliche intensive Betätigung ungeeignet sind) nicht als zukünftiger Maßstab für die allgemeine Pauschalierung verwendet wird.
Also zusammengefasst für mich eine ideale Lösung, auch wenn es mal hin und wieder zwickt und klemmt, das ist mir die gewonnene relative Sicherheit wert.
Selbst bei Betroffenen, die aufgrund schwerwiegender Krankheit auf fremde Hilfe angewiesen sind, leistet bei richtiger Anwendung das Kondomurinal wertvolle Dienste. Dies zeigte sich erst unlängst ganz deutlich bei der Palliativbetreuung. Mit saugenden Hilfsmitteln wäre es nicht so gut gelungen.
Andererseits muss auch bedacht werden, dass aus vielfältigen Bewegründen (u.a. wie fehlende bzw. unzureichende Motorik, starke Abneigung gegen Anlegen einer „Melkeinrichtung“ an einem sensiblen Organ, …) deshalb trifft es für Betroffene oft zu: „Es wird schnell zur Windel gegriffen“.
Dabei dachte ich auch an den aufschlussreichen Beitrag von Sirius
www.inkontinenz-selbsthilfe.com/forum/56....html?start=16#23713
Ergänzend soll auf folgendes hingewiesen werden.
Für aufsaugende Inkontinenzprodukte hat zum 1.Mai 2016 die BARMER GEK neue Verträge (sogenannte Bekanntmachungsverträge) abgeschlossen. Für Betroffenen bedeute dies mehr Flexibilität und vielfältigere Alternativen.
„ Für die Krankenkassen, die nach den gesetzlichen Vorgaben des Wirtschaftlichkeitsgebotes nur bezahlen dürfen, was medizinisch ausreichend, notwendig und zweckmäßig ist, steht die qualitativ gute Versorgung zu angemessenen Preisen im Fokus.“
Weiter heißt es u.a.: Die Kasse zahlt pro Versicherten eine monatlich Versicherungspauschale von rund 16,70 €!!!
Mit diesen Beträgen liege die BARMER GEK im Vergleich zu anderen Kassen im oberen Bereich.
Wer sich nur annähernd hier auskennt, der findet sicherlich hier nur schwer die passenden Worte. Es sei denn man missachtet „medizinisch ausreichend“, „qualitativ gute Versorgung“. Immerhin es bleibt ja noch „notwendig“ und „angemessene Preise“ übrig.
Da hilft auch nicht der folgende Trost und wird zur Phrase:
„Alle Vertragspartner sind verpflichtet, mindestens zwei aufzahlungsfreie Produkte anzubieten und bei Bedarf können Versicherte verschiedenen aufzahlungsfrei Produkte testen.“
Eine repräsentative Befragung ergab, dass Betroffenen mit der Versorgung sehr zufrieden seien, denn 64% gaben an, dass keine Aufpreise für andere Produkte aus eigener Tasche zu zahlen sind.
Na, da kann man sich doch nur wundern!
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Alle, wie auch ich, würden sich sehr freuen, wenn du dich, lieber Waldemar, weiterhin in diesem Forum einbringst.
Es grüßt Horsty