Rente - Steuer
Reichen Ruheständlern droht wegen Rentensteuer Ärger mit dem Finanzamt
Vielen Rentnern droht Ärger mit dem Finanzamt. Der Grund: Seit 2005 muss jeder Ruheständler wegen des Alterseinkünftegesetzes eine Steuererklärung abgeben, damit der Fiskus eine Steuerpflicht prüfen kann. Und wehe dem, der in der Vergangenheit steuerpflichtige Renten oder Nebeneinkünfte nicht angegeben hat. Experten gehen von bis zu 300.000 Rentnern aus, die nun in Erklärungsschwierigkeiten kommen könnten.
Zitat
Die Finanzämter wissen jetzt genau, wie hoch die Rente jedes Einzelnen war.
Dieter Ondraczek, deutsche Steuergewerkschaft
Ende Mai ist Stichtag zur Abgabe der Steuererklärung für das Jahr 2005. Und spätestens mit diesen Datum ändert sich für viele Rentner ihre Beziehung zu den Steuerbehörden grundlegend: Denn durch die seit 2005 geltende Besteuerung auf Alterseinkünfte wird von Altersrenten einheitlich ein Anteil von 50 Prozent steuerpflichtig - in der Vergangenheit waren es durchschnittlich lediglich 29 Prozent. Da die Besteuerung für alle - egal ob Neurentner oder Bestandsrentner - gilt, muss erstmals jeder eine Steuererklärung abgeben.
3,3 Millionen steuerpflichtig
Renten bis zu 18.900 Euro bei Alleinstehenden beziehungsweise 37.800 Euro bei Ehepaaren im Jahr bleiben auch weiterhin steuerfrei. Steuerlich betroffen sind also vor allem wohlhabende Pensionisten, die neben der gesetzlichen Rente noch über Einkünfte aus Kapitalerträgen oder aus Vermietungen verfügen oder in den Genuss mehrerer Zahlungen, beispielsweise Betriebsrenten, kommen.
Für Neurentner steigt der Steueranteil bis 2020 um zwei Prozentpunkte pro Jahre (2006: 52 Prozent, 2007: 54 Prozent...), danach um einen. Ab 2040 müssen alle Rentner Steuern zahlen.
Nach Einschätzung des Bundesfinanzministeriums müssen durch die neue Rentenbesteuerung neben den jetzt schon zwei Millionen Rentner-Haushalten zusätzlich 1,3 Millionen erstmals Steuern zahlen. Für die ist das ärgerlich. Noch ärgerlicher wird es aber für die, die bis jetzt wegen des niedrigen Anteils der steuerpflichtigen Rentner durch das grobmaschige Kotrollnetz der Finanzämter gerutscht sind und steuerpflichtige Einkünfte - ob wissentlich oder nicht - in den vergangenen Jahren nicht angegeben haben.
Hunderttausende in Schwierigkeiten
Dieter Ondraczek, Vorsitzender der deutschen Steuergewerkschaft, schätzt die Zahl der Haushalte, die Ärger mit den Fiskus bekommen könnten, auf 200.000 bis 300.000. "Wir registrieren immer mehr besorgte Anrufe und Fragen, wie man dem Ungemach entgehen kann", sagt er im Gespräch mit heute.de - und macht Betroffenen wenig Hoffnung.
Hintergrund
Höhere Steuern für Rentner
Zwar fielen in der Vergangenheit Unstimmigkeiten nicht sofort auf, da Renten und Nebeneinkünfte nicht systematisch erfasst wurden. "Aber das hat sich grundlegend geändert", sagt Ondraczek. Seit dem vergangenen Jahr bekämen die Finanzämter Rentenmitteilungen und "wissen jetzt genau, wie hoch die Rente jedes Einzelnen war."
Flächendeckende Kontrollmitteilungen
"Rentenbezugsmitteilungsverfahren" heißt der sperrige Albtraum der Steuersünder im Ruhestand: Gesetzliche und private Rentenkassen, Lebensversicherer, Pensionsfonds und Versorgungswerke müssen für 2005 erstmals ihre Zahlungen an die "zentrale Zulagenstelle für Altersvermögen" (ZfA) melden. Die ist bei der Deutschen Rentenversicherung Bund angesiedelt und gibt die Daten an die Finanzbehörden der Länder weiter, die ihre jeweiligen Finanzämter mit den Daten füttert.
Zwar erfolgen für das Jahr 2005 mangels technischer Voraussetzungen diese Mitteilungen noch nicht und werden wohl erst 2008 erstmals flächendeckend herausgegeben, aber das ändert laut Ondraczek nichts an der Wirksamkeit der Kontrollen. "Die Daten werden rückwirkend gespeichert und dann weitergereicht" schildert er das Prozedere. Wer also versucht, die eine oder andere Einnahme zu verheimlichen, fliegt zwangsläufig auf - und sei es mit zeitlicher Verzögerung.
Genaue Prüfungen angekündigt
Brenzlig wird es demnach für die Rentner, die 2005 erstmals eine Steuererklärung abgeben und hohe Einkünfte haben. Sie müssen damit rechnen, dass das Finanzamt auch die vorhergehende Zeit genauer unter die Lupe nimmt. Eine Praxis, die das Finanzamt Mainz Mitte auf Anfrage bestätigt. "Wenn für 2005 Unstimmigkeiten auftauchen, fordern wir zumindest die Steuerklärungen für ein oder zwei Jahre davor an", heißt es. Sollten auch die auffällig sein, müsse der Betroffenen mit Ermittlungen rechnen.
Norman Peters vom Deutschen Steuerberaterverband kommentiert die Situation kurz und knapp: "Die landläufige Meinung, dass Renten steuerfrei sind, die gab es mal. Steuersünden aus der Vergangenheit werden jetzt aufgedeckt", sagt er. Sein Tipp: Der Gang zum Steuerberater: "Der kann sagen, wie die Situation des Betroffenen aussieht und ob eine Selbstanzeige der richtige Weg ist." Ein Rat, den auch Ondraczek parat hat: "Eine Selbstanzeige ist strafbefreiend" sagt er, "allerdings sind Steuernachzahlungen unvermeidlich."
Frage der Diplomatie?
Einzige Hoffnung für Betroffene: Die Behörden sind dazu angehalten, nach dem Grundsatz der "wirtschaftlichen Betrachtungsweise" vorzugehen: Heißt im Klartext: Kleinere Vergehen werden eher nicht verfolgt. Nach Ondraczeks Einschätzung werden die Steuerbehörden ab 500 Euro nicht bezahlter Steuer im Jahr tätig. Wichtig kann auch die persönliche Beziehung zum Finanzbeamten sein, denn "letztendlich liegt eine Strafeverfolgung auch im Ermessensspielraum des Sachbearbeiters", sagt Ondraczek.
von Kai-Martin Müller-Haeseler, 25.03.2006